DOMINO - Umbau BMW R nineT | von Dirk Schäfer

Wenn man im Zusammenhang mit Motorrädern das Wort »Domino« in den Mund nimmt, laufen bei fast allen Zuhörern die gleichen Kopffilme von umkippenden Maschinen ab. Dass es auch ein positiv besetztes Domino gibt, erfuhr Dirk Schäfer als er seine BMW RnineT Urban G/S umbauen wollte.

Ich hatte sie schon verkaufen wollen. Meine Urban G/S. Vor ein paar Jahren konnte ich den stylischen Brummelboxer probefahren und war vom Hallelujah des Motors so begeistert, dass ich dachte: Muss ich haben! Hatte ich dann auch. Aber die Ernüchterung folgte bei einer Pilgerfahrt zum Motorrad-Mekka Isle of Man. Auf wurstigen englischen Landstraßen und erst recht auf der Rennstrecken-Insel offenbarte das Fahrwerk seine unterdurchschnittlichen Qualitäten. Nee, so werden wir keine Freunde! Nach der Rückkehr von der Insel war klar: Die Urban G/S muss weg! Es gab nur ein Problem …

Vielleicht hatte ich den Verkaufspreis zu optimistisch angesetzt, vielleicht war ich bei Fragen nach »Was ist der letzte Preis?« auch einfach zu halsstarrig. Kurzum: Monate nach dem Beginn meiner Verkaufsoffensive stand der Boxer immer noch in meiner Garage und stahl den anderen Karren Platz und Versicherungskosten. So konnte es auch nicht weitergehen. Und dann bekam ich erneut die Gelegenheit zu einer – erweiterten – Probefahrt: Diesmal von Moritz Hägele, der schon mehrere Urban G/S fahrwerksseitig umgerüstet hatte. Das Resultat? Ein Knaller! Musste ich haben! Und wenn man schon mit dem Fahrwerk beginnt, kann man auch gleich ein paar andere Dinge ändern. Damit begann eine Geschichte, von der ich nie angenommen hatte, dass ich sie mal erleben würde. Eine Geschichte, die zu einem Domino-Spiel wurde.

Eigentlich war ja alles ganz einfach: Die zahnstocherartige Gabel der Urban musste gegen etwas Anständiges getauscht werden. Dann hinten noch ein besseres Federbein rein und fertig!

Ich besorgte mir bei einem westfälischen Motorradschlachter die gebrauchte Upside-Down-Gabel einer BMW F 800 GS. Die sollte mit einem Touratech Cartridge-System aufgepeppt werden. Als ich daher bei Jo Glaser, meinem alten Freund und Fahrwerksexperten, bei Touratech anrief, begann das erste Domino-Steinchen wohlwollend zu kippen. Jo möchte wissen: »Willst du das 19-Zoll-Vorderrad behalten?« »Eigentlich hätte ich gerne einen 21-Zöller.« Ich höre regelrecht, wie sich Jo sammelt: »Als wir für die Red Bull Romaniacs eine Urban G/S in eine R9X verwandelten, haben wir der die Paarung 21 Zoll vorne und 18 Zoll hinten spendiert. Dafür mussten wir aber noch jede Menge umbauen, damit das gut funktioniert. Jede Menge!« Nur noch in Trance höre ich was von Lenkkopfwinkel, Nachlauf und, und, und. Ich weiß: Jo meint es nicht nur gut, er weiß es auch besser als ich. Und so bringt er mich ins Nachdenken. Will ich beim Erzberg-Rodeo mitfahren? Bei den Romaniacs? Was will ich überhaupt fahren?

Extra angefertigtes Federbein auf Basis Black-T Stage4

Ich bin der Typ, der mit Gepäck über afrikanische Pisten staubt, den TransEuro-Trail entlangpirscht, ACT-Tracks auslotet und amerikanische Backcountry Discovery Routes entlangbügelt. Aber: Ich bin kein Sportfahrer. Mir geht’s nicht um Speed, mir geht’s ums Ankommen. Und das geht mit vielen Bikes, die auf 19/17-Zoll-Felgen laufen. Also Bingo!

Doch jetzt neigen sich die nächsten Dominosteine: An die Gabel der F 800 GS werden weder die Bremssättel der Urban G/S noch die Gabelbrücken passen. Und jetzt kommt Moritz Hägele ins Spiel. Denn die Nummer mit anderen Gabeln hat er bereits 20 mal durchexerziert. Zwei fette Brücken aus eigener Fertigung und Adapterplatten für die Bremsanlage steuert er bei. Außerdem: Die Sitzposition muss geändert werden, so dass der spitze Kniewinkel der Urban G/S geöffnet wird. Dazu hat Moritz ebenfalls Adapterplatten für die Rastenanlage zur Hand. Wenn sich jetzt die Sitzposition noch weiter nach vorne verschieben ließe…

Unit-Lampenmaske à la R 100 GS

Und die lässt sich verschieben. Und zwar nicht in erster Linie durch eine andere Sitzbank, sondern durch einen kürzeren Tank. Von Unit Garage gibt es ein Exemplar, das nicht nur etwas kürzer baut, sondern mit 22,5 Litern sogar mehr Volumen bietet. Vom Styling her erinnert er an die Paris-Dakar-Renner von Gaston Rahier. Und wenn wir schon bei der Optik sind: Ein Windschild, optisch zum Tank passend, liefert Unit Garage gleich mit.

Jetzt muss die Sitzbank auf jeden Fall angepasst werden, damit die Lücke zwischen Spritfass und Sitzmöbel wieder geschlossen wird. Eine hübsche Sattlerarbeit erledigt das. Zusätzlich wird noch eine hochgelegte Auspuffanlage montiert. Wenn die Dominosteine schon mal am Kippen sind…

Als die umgebaute Urban G/S vor das Werkstor von Touratech gerollt wird, nicken sich alle Beteiligten zufrieden zu. Feine Zutaten, smarte Optik und das Potential, die nüchterne R nineT weit hinter sich zu lassen, hat der Umbau. Moritz dreht eine erste Proberunde und wir stellen fest, dass der dB-Killer noch nicht im Auspuff steckte. Ein kurzer Akustikmoment von Rallyeatmosphäre streift über das Gelände. Aber mir geht’s ja nicht um Speed, sondern ums Ankommen.

Bei mir ist die Message angekommen, dass es trotz eigener Kenntnisse gut ist, sich mit den tatsächlichen Experten kurzzuschließen, um eine angepasste Lösung für die eigenen Wünsche zu bekommen. Und dass Motorraddomino nicht immer schlecht sein muss.

Kaum wiederzuerkennen: Die Urban G/S als hochbeiniger Wüstenrenner.

Teileliste Umbau BMW R nineT Urban G/S
- Gabel: BMW F 800 GS, gebraucht
- Federung vorne: Touratech Cartridge System
- Federung hinten: Federbein Touratech Black-T
- Felgen: Excel 19“ und 17“
- Reifen: Metzeler Karoo 3
- Gabelbrücken: R9TAdv
- Adapterplatte Vorderradbremse: R9TAdv
- Fußrastenplatten (offenerer Kniewinkel): R9TAdv
- Fußrasten: Touratech
- Tank: Unit Garage
- Windschild: Unit Garage
- Endschalldämpfer: Unit Garage
- Seitenständer: R9TAdv
- Sitzbank: R9TAdv

Touratech Fernreise-Fußrasten für festen Stand