Rumänien – ziemlich abenteuerlich!|Rumänien-Reise von Michael Hoyer

Rumänien – ziemlich abenteuerlich!|Rumänien-Reise von Michael Hoyer

Rumänien ist ein südosteuropäisches – für viele Europäer fremdes Land, das für die bewaldete Region Transsilvanien in den Karpaten bekannt ist. Es gibt mittelalterliche Städte wie Sighişoara sowie zahlreiche Kirchen und Burgen, wie das auf einer Klippe gelegene Schloss Bran, das seit Langem mit der Dracula-Legende verknüpft ist. Nachdem ich bereits im vergangenen Jahr eine ausgedehnte Motorrad-Offroad-Reise in dieses wunderbare Land unternommen hatte, war sehr schnell klar, dass ich dieses Jahr wieder in das Land der sagenhaften Naturlandschaften reisen „musste“.

Vorweg, ich habe viele Stunden benötigt, um diese Offroad-Reise zusammenzustellen. Sie ist ein Mix aus herrlicher Landschaft, gepaart mit wunderbaren Offroadpassagen. Meine Reisebegleiterin war in diesem Jahr die TRIUMPH Tiger 900 equipped und bestens ausgestattet mit allem notwendigen Offroad-Zubehör von TOURATECH. Im Fokus standen bei meinen Vorbereitungen durch die Karpaten meist einsame Wege, vorbei an Klöstern, Kirchenburgen und über hohe Pässe auf Schotter oder Teer. Die Menschen, die ich hier traf, waren alle sehr hilfsbereit. Ich hatte nie Probleme eine Pension oder ein Hotel zu finden. Essen kann man günstig und reichlich.

Die Anreise aus dem Schwarzwald nach Rumänien ist, wenn man die schnelle Variante wählt, lang und weilig. Sozusagen langweilig. Über 1500 Kilometer - zumeist Autobahnen, weisen den Weg nach Timișoara. Die Stadt im Westen Rumäniens, die besonders für ihre Sezessionsarchitektur bekannt ist, war der Ausgangspunkt meines diesjährigen Rumänien-Trips. Am zentralen Platz, der Piața Victoriei, befinden sich zahlreiche barocke Gebäude sowie die Kathedrale der Heiligen drei Hierarchen (Catedrala Mitropolitană) mit ihren Mosaikziegeln und der Ikonengalerie. Die Stadt ist auf der einen Seite modern – jedoch strömt aus jeder Pore der alten Gebäude und Mauern noch die „vergangene Zeit“ des Kommunismus.

Ich bin im Schwarzwald geboren und in Furtwangen aufgewachsen. Dort entspringt der mündungsfernste Quellfluss der Dona – die Breg. Es ist klar, dass ich meinem „Heimatfluss“, der Donau in Rumänien, einen Besuch abstatten muss. Am nächsten Tag geht die Fahrt vorbei an der klangvollen Gemeinde „Liebling“ zum wohl imposantesten und bekanntesten Taldurchbruch in Europa. Die Donau fließt hier durch ein beeindruckendes Tal. Die über 100 km lange Kataraktenstrecke mit dem noch berühmteren Eisernen Tor, welche die Grenze zwischen Serbien auf der rechten und Rumänien auf der linken Donauseite bildet, ist ein fahrerischer Hochgenuss. Das Eiserne Tor gilt als einer der imposantesten Taldurchbrüche Europas. Am Cazan zwischen den Städten Orșova und Donji Milanovac, wird die Donau auf 200 Meter Breite und 80 Meter Tiefe eingeengt.

Die heutige Fahrt endet in dem historischen Kurort Băile Herculane Region Banat. Die Existenz der Siedlung seit dem Jahr 153 ist durch eine römische Inschrift bezeugt. In der Zeit des Römischen Reiches war Herkulesbad ein wichtiger Kurort, der nach dem griechisch-römischen Gott Herakles benannt war. Auch heute noch kann man in den warmen Quellen baden – und das ist bemerkenswert – ganz ohne Eintritt. Die sprudelnden Quellen sind frei zugänglich – haben keine oder nur sehr spärliche sanitäre Anlagen und sind großer Treffpunkt für viele Familien.

Die nächsten beiden Tage stehen im Zeichen von viel Onroad-Fahrvergnügen. Die Transalpina, auch als Drum național 67C bezeichnet, ist eine touristisch bedeutsame Straße in Rumänien. Sie durchquert die Transsilvanischen Alpen, verbindet den Kreis Gorj in der Kleinen Walachei mit dem Kreis Alba in Siebenbürgen und erreicht eine Höhe von 2132 m. Die moderne, auch unter der Bezeichnung Drumul Regal („Königsstraße“) bekannte Straße wurde 1939 eröffnet und im Zweiten Weltkrieg aus strategischen Gründen ausgebaut. Die Transalpina gilt als die kleine Schwester des Transfaragasan.

Die Transfaragasan-Hochstraße beginnt im Ort Căpățânenii Ungureni. Ab hier beginnt die Straße steil und kurvenreich im Tal des Baches Valea lui Stan zum Teil über Viadukte und durch vier Tunnel anzusteigen. Zwei der Tunnel sind rund 100 Meter lang und befinden sich unmittelbar vor der Staumauer des Vidraru-Stausees. Hier verläuft die Transfagarascher Hochstraße weiter auf der sechs Meter breiten und 307 Meter langen Talsperre. Nach etwa 18 Kilometern am Ostufer des Stausees entlang verläuft die Straße vom Nordende des Stausees weitere 23 Kilometer im Capra-Tal (Valea Caprei) zunächst sanft, später kurvenreich und steil in nördliche Richtung. Auf einer Höhe von 2042 m unterquert sie den 2398 m hohen Paltinu, einen Berggrat der Karpaten. Der so genannte Bâlea-Tunnel ist der höchstgelegene und auch längste Tunnel in Rumänien und weist eine Länge von 887 Meter auf. Hier, am höchsten Punkt der Strecke, grenzt der Kreis Argeș an den südlichen Teil des Kreises Sibiu. Unmittelbar hinter dem schlecht beleuchteten Tunnel erreicht die Straße den Bâlea-See, an dem sich ein großer Parkplatz mit vielen Essens- und Souvenir-Ständen befindet. Da diese Hochstraße nur von Juli bis Ende September befahrbar ist, tummeln sich auf diesem Hochplateau hunderte von Touristen, die einen Blick auf die spektakuläre Bergstraße erhaschen möchten. Ab dem Bâlea-See windet sich die Straße in vielen Serpentinen im Bâlea-Naturschutzgebiet hinunter nach Siebenbürgen. Ein Drittel der Strecke verläuft auf der Nordseite des Fagarascher Gebirges und war für deren Bau auch der etwas schwierigere Streckenabschnitt. Weil hier im Bâlea-Tal gelegentlich tiefhängende Wolken die Sicht behindern, wird die Transfagarascher Hochstraße auch als Straße in den Wolken bezeichnet. Bei meiner Überquerung dieser legendären Strecke herrschte Kaiserwetter mit bester Fernsicht. Insgesamt verläuft die Straße über 833 Brücken und 28 Viadukte.

Nach diesen beiden interessanten Onroad-Tagen dürstet es mich wieder nach purem Offroad-Spaß. Die Grenze zwischen Off- und Onroad ist in Rumänien ohnehin sehr fließend. Die Hauptdurchgangsstraßen sind häufig asphaltiert – und sobald man in Transsilvanien Nebenstrecken befährt, hat man häufig Schotter, Schlamm und grobe Trails unter den Pneus. Mein Ziel heute ist eine sagenumwobene Stadt mit dem legendären Schloss Bran. Mächtig erhebt sich das alte Gemäuer über den Dächern der gleichnamigen Stadt Bran in Transsilvanien. Eine düstere Atmosphäre umgibt die Törzburg und jagt manch einem Gast einen eiskalten Schauer über den Rücken. Denn wer kennt sie nicht, die Romanfigur des irischen Schriftstellers Bram Stoker, der auf Schloss Bran gelebt haben soll. Graf Dracula zählt als der "Urvater aller Vampire" und zum "blutrünstigsten Vampir" Rumäniens. Als historische Vorlage für Bram Stokers Romanfigur gilt Vlad III. Draculea, ein walachischer Fürst, der Angst und Schrecken unter seinen Feinden durch seine Vorliebe für Pfählungen verbreitete. Die Legende um das Dracula-Schloss in Transsilvanien entstand, da Schloss Bran (Törzburg) das einzige Schloss in ganz Transsilvanien ist, dass der Beschreibung von Bram Stoker in fast allen Einzelheiten entspricht.

Nach so viel „Kultur“ ist dann wieder einmal Natur pur angesagt. Über kleinste Offroad-Trails geht die Reise weiter zu den Schlammvulkanen bei Berca im Osten Rumäniens. Aus verschiedenen Löchern und Kegeln im Boden strömt Erdgas Schlamm und Ton an die Oberfläche und schafft so eine spektakuläre Mondlandschaft. Die Schlammvulkane sind ein eindrucksvolles geologisches Phänomen in Rumänien, welches in der Nähe der rumänischen Gemeinde Berca im Kreis Buzău zu finden ist. Seit 1924 steht das wüstenartige Gebiet der Schlammvulkane auf einer Fläche von 30 Quadratkilometern unter Naturschutz. Die größten dieser Schlammvulkane erreichen einen Durchmesser von 8 Metern. Also – die Schlamm-Vulkane sind sehr sehenswert. Nach einer anspruchsvollen und schweißtreibenden Offroad-Passage bis nach Tlnici kann die Triumph Tiger 900 auf der Strecke nach Targu Secuiesc ihr vielseitiges Können bei bestem Onroad-Speeding durch die Karparten unter Beweis stellen. Viele enge Haarnadelkurven und danach wieder Vollgas-Strecken… Da kann man sich schwindelig fahren. – Weiter geht es bis nach Comanesti.

Generell kann man sagen, dass die Rumänen ein sehr freundliches und Motorradfahrern sehr positiv eingestelltes Volk sind. Immer wieder bin ich von der Gastfreundlichkeit und dem offenen Charakter der Rumänen überrascht. In Coamesti erklärt mir der Besitzer einer kleinen Pension, dass ich unbedingt als nächstes sowohl die spektakuläre Bicaz Klamm als auch den einzigartigen Lacul Roşu (Roter See) besuchen soll. Beide Locations gehören mit einem fantastischen Landschaftsbild zu den sehenswertesten Touristenzielen in Rumänien. Die 10 Kilometer lange Bicaz Klamm (Cheile Bicazului), zählt zu den spektakulärsten Gebirgsstraßen des Landes. Direkt an der Straße ragen schroffe Steilwände bis zu 300 Meter nahezu senkrecht in die Höhe und schaffen ein fantastisches Landschaftsbild.

Wie so häufig, endet dieser interessante Tag in einer sehenswerten rumänischen Stadt. Heute ist es Cluj-Napoca, eine wunderschöne Stadt im Nordwesten Rumäniens und die inoffizielle Hauptstadt der Region Transsilvanien. Hier gibt es Universitäten, ein lebhaftes Nachtleben und wichtige Bauwerke aus den Zeiten ungarischer und sächsischer Herrschaft. Rund um den Hauptplatz Piața Unirii befinden sich die gotische Michaelskirche und ein dramatisches Reiterstandbild von König Matthias Corvinus, der im 15. Jahrhundert lebte.

Die Reise neigt sich dem Ende entgegen. Den Abschluss bietet das Apuseni Gebirge. Allein in dieser Region könnte man sicher locker zwei Wochen mit dem Motorrad unterwegs sein, und man hätte noch nicht alles gesehen. Hier verläuft die Strecke über Berg und Tal und man überquert mannigfache Hügelketten bis ins nächste Tal und gelangt wieder über einen Kamm zurück. Landschaftlich gibt es viele Almen, keinen Verkehr und die Strecken befinden sich häufig in wirklich anspruchsvollen Trail-Passagen. Viele Passagen sind nur Autobreit und weisen dann extreme Steigungen auf. Blöd, wenn man dann mit Gegenverkehr konfrontiert wird. Dann heißt es Motorrad wenden – zurück bis zur nächsten Ausweichstelle – und dann weiter.

Bei den sommerlichen Temperaturen ist die Scărișoara-Höhle, eine Eishöhle in 1082 Metern Seehöhe im rumänischen Apuseni-Gebirge eine willkommene Abwechslung. Von Gârda de Sus aus, erreicht man die Höhlen auf einer ca. 10 km langen, schmalen Asphaltstraße. Sie ist Teil des Naturparks Apuseni und umfasst den kompaktesten unterirdischen Eisblock Europas mit einem Volumen von 75.000 Kubikmetern und einer Dicke bis zu 26 Metern. Pollenanalysen datieren das Eis auf ein Alter von etwa 3500 Jahren.

Wie immer – viel zu schnell ist die Zeit auf dem Motorrad verflogen. Den letzten Abend in Rumänien verbringe ich in Oradea. Das Stadtzentrum ist 13 km von der ungarischen Grenze entfernt. Am Nordostrand der Stadt enden die Ausläufer des Apuseni-Gebirges. Aus geologischer Sicht bemerkenswert sind die teilweise bis unter die Stadt reichenden Höhlen, deren Thermalquellen in verschiedenen Bädern eine gewisse Bekanntheit erlangt haben. Nach dem Ersten Weltkrieg musste Ungarn im Vertrag von Trianon das Kreischgebiet und damit auch Oradea – trotz dessen damaliger ungarischer Bevölkerungsmehrheit – an das neue Großrumänien abtreten. Durch den zweiten Wiener Schiedsspruch 1940 an Ungarn zurückgefallen, wurde die Stadt 1944 durch rumänische und sowjetische Truppen eingenommen und gehört seither wieder zum rumänischen Staatsgebiet. Heute ist Oradea eine mondäne Stadt, die in die Jahre gekommen ist. Überall sind die historischen Einrichtungen der ungarischen und österreichischen Monarchie zu sehen und prägen das Stadtbild.

Ganz zum Schluss kommt wie immer die Erkenntnis: Wer ein Abenteuer in Rumänien auf zwei Rädern erleben will, der muss erst einmal dorthin fahren. Und wer da war und feinstes Offroad-Vergnügen erlebte, der muss wieder nach Hause fahren. Und dabei ist auffällig, dass die Heimreise mindestens doppelt so lange ist, wie die Hinfahrt (zumindest gefühlt…!). Und bei jedem Kilometer auf der Heimfahrt denke ich über meine Erlebnisse in den vergangenen zwei Wochen zurück. Und als ich den Blinker in meine Heimatstadt Villingen zu unserem Wohnhaus setze – da weiß ich genau: Rumänien – ich komme wieder.

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