Yukon im Winter mit dem Motorrad

Yukon im Winter mit dem Motorrad

„You must be Germans“ (Kommentar eines Schneepflugfahrers der uns unterwegs getroffen hat)

Als ich auf meiner Weltreise mit Motorrad 2015 Alex (Alyxmoto) in seiner Motorradwerkstatt in Seattle angefahren habe, wußte ich noch nicht was für weitreichende Folgen dies für meine weiteren Reisepläne in ein paar Jahren haben sollte. Ich benötigte ein paar Ersatzteile und eine generelle Wartung an meinem Motorrad stand auch an. Während Alex an meinem Motorrad schraubte, ich ihm etwas zur Hand ging, kamen wir so ins Gespräch und dabei erwähnte Alex etwas beiläufig „Ein Traum von mir ist es im Winter durch Kanada hoch ans arktische Meer zu fahren“. Ohne groß zu überlegen antwortete ich „Wenn es soweit ist und es dir ernst ist, melde dich, ich bin dabei“.

2017 meldete sich Alex tatsächlich und 2018 flog ich zum ersten mal nach Cochrane, Kanada wo Alex inzwischen hingezogen ist, um Ausrüstung für die Winterreise anzuprobieren, zu bestellen und zu optimieren. 2019 zum zweiten mal um die Winterreise endgültig für das Frühjahr 2020 zu besprechen. Alex wollte seine 1200 GS mit Seitenwagen nutzen, während ich meine Tenere 700 nach Calgary verschiffen wollte. Leider kreuzte Covid unser Vorhaben, so das wir die Winterreise durch den Yukon Jahr um Jahr verschieben mussten. Für das Frühjahr 2022 sah es aber zunächst so aus, dass wir unser Vorhaben in die Tat umsetzen konnten.

Kurz vor Weihnachten 2021 hat jedoch die Schließung der Northwest Territories unser Vorhaben wiedermal einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir beide waren etwas frustriert bei unserem Telefonat kurz nach dieser Schreckensmeldung und ich war wiedermal so weit unser Vorhaben um ein weiteres Jahr zu verschieben. Mir war der Aufwand der Verschiffung meiner Tenere 700 und die damit zusammenhängenden Kosten zu hoch, unter der Voraussetzung, dass wir nicht an das arktische Meer hochfahren konnten, wegen der Sperrung der Northwest Territories für touristische Reisen. Es gab Sonderregelungen. Alex hat versucht eine zu erwirken, der Antrag wurde aber nicht innerhalb von ein paar Tagen bewilligt.

Schlussendlich hat mich Alex überredet doch zu kommen, auch um unsere Ausrüstung einem ausführlichen Praxistest zu unterwerfen. Er hat mir auch Angeboten das Gespann seiner Frau, eine GS 800 mit Seitenwagen, zu fahren in der Zeit. So flog ich am 28. Januar 2022 nach Calgary, um von Alex am Flughafen abgeholt zu werden, wo er mir auch gleich die richtungsweisende Frage stellte „Wollen wir hoch bis Dawson City fahren?“ So hatte nun unser Vorhaben für diesen Winter in Kanada eine Richtung.

Was mich an der Winterreise reizte und wo ich für mich eine Herausforderung sah, war die zu erwartende extreme Kälte und die damit verbundenen geplanten Übernachtungen im Zelt sowie dass ich noch nie Motorrad mit Spikes an den Reifen gefahren bin. Zwei Tage nach meiner Ankunft ging es los. Wir hatten etwas Glück mit dem Wetter, die winterlicheren Temperaturen ließen noch ein paar Tage auf sich warten. Um mich etwas an das Gespann mit den Spikes zu gewöhnen, hat mich Alex gleich mal auf den zugefrorenen Ghost Lake gebracht. Was für ein Gefühl, musste mir immer wieder einreden – das hält schon.

Bei unserer folgenden ersten Übernachtung im Zelt wurde auch gleich mal unser Schlafsack, mit einer Komforttemperatur von -30 Grad, einer Bewährungsprobe ausgesetzt – bestanden. Beim Auf- und Abbau des Zeltes wurde uns klar, dass wir bei so extremen Minustemperaturen es noch etwas an Erfahrung fehlte. Abends beim Einschlagen der Heringe in den gefrorenen Boden, war etwas an Anstrengung nötig und am anderen Morgen wurde uns klar, dass diese über Nacht, festgefroren waren und wir mussten die Heringe mit einem Beil wieder frei schlagen. Auch wurde uns vor Augen geführt, dass es eine erhebliche Menge Schnee zum Schmelzen auf unserem Benzinkocher benötigt, als erwartet, für unseren morgendlichen heiß ersehnten heißen Kaffee. Pulverschnee gibt halt nicht allzu viel Wasser ab. Mit diesen gemachten Erfahrungen ging die Winterreise dann erst richtig los und wir waren etwas gewappnet für die noch folgenden Nächte im Zelt.

Bei der Liard Hotspring Lodge hat es mich dann erwischt, Plattfuß. Glück im Unglück, wir durften den beheizten Werkzeugschuppen der Lodge nutzen zur Reifenreparatur. Wir haben dabei etwas unterschätzt, wie hart ein Reifen bei Minustemperaturen unter 20 Grad doch werden kann. Es hat uns alle Erfahrung abverlangt, den Reifen von der Felge zu wuchten. Dabei half uns der Besitzer der Lodge, der uns den Reifen mit seinem kleinen Schaufelbagger mit der Kante der Schaufel von der Felge drückte. Das wieder draufmachen war ebenfalls eine kleine Herausforderung. Aber man wächst ja an seinen Herausforderungen unterwegs – sagten wir uns.

Steve, ein LKW-Fahrer, hat mitbekommen, dass wir ein Problem hatten. Er hat uns angeboten seine tägliche Route mit LKW (Edmonton - Whitehorse) zu nutzen, wenn wir ein Ersatzteil benötigen sollten. Gesagt, getan - zwei Tage später durften wir den Ersatzreifen, persönlich von Steve im Motel in Whitehorse, in Empfang nehmen. Die Leute im Yukon halten zusammen und helfen, wenn jemand in so einer einsamen Gegend Hilfe benötigt - ein Phänomen, was ich auf meinen Reisen immer wieder erleben durfte.

Doch zunächst ging es für uns mit dem geflickten Reifen weiter. Und wir wurden für die Anstrengungen am Vorabend, kurz nach der Weiterfahrt von der Lodge, auch gleich mit einem Highlight auf dieser Reise entschädigt – Büffel. Die wollte ich unbedingt sehen und fotografieren und bin am ersten großen Bullen, direkt neben der Straße stehend, vorbeigefahren. Dabei habe ich zuvor, etwas großspurig zu Alex gesagt „Ich hätte gerne einen Büffel direkt neben der Straße stehen, für Großaufnahmen“. Und fahr gleich mal an dem ersten vorbei.

Plötzlich war Alex nicht mehr im Rückspiegel zu sehen. Ich wartete einen Augenblick und kehrte schließlich um. Und da sah ich dann den Büffel direkt neben der Straße stehend und Alex davor, Bilder machen. Er konnte es nicht fassen, dass ich den Büffel am Straßenrand nicht gesehen hatte. Aber dies sollte nicht der einzige Büffel an diesem Tag bleiben. Als wir so weiterfuhren haben wir irgendwann aufgehört zu zählen, geschätzt waren es an diesem Tag etwas über hundert Büffel. Man merkte, dass die Büffel an das Motorengeräusch der Motorräder nicht gewöhnt waren und die Büffel doch nervös reagierten. Die LKW’s und PKW’s haben die Büffel ignoriert. Als wir an einer größeren Herde direkt auf der Straße vorbeikamen, hielten wir die Motorräder auf Abstand und machten auch gleich die Motoren aus. Ich schnappte mir meine Kamera und ging Schritt für Schritt auf die Büffel zu – diese schien meine Anwesenheit nicht zu stören. Ich konnte mich ihnen bis auf wenige Meter nähern und so stand ich Minuten lang Auge in Auge einem Büffel gegenüber - ein Wahnsinnsgefühl, unbeschreiblich solche Momente unterwegs.

Dawson City war unser nördlichster Punkt der Tour, von da ging es wieder Richtung Süden zurück nach Cochrane bei Calgary. Für die Tour haben wir 3 1/2 Wochen benötigt, sind ca. 6200 km im Schnee und Eis gefahren, dabei herrschten Temperaturen von +8 Grad bis -34 Grad (Nachts entsprechend kälter). Wind herrschte immer vor und auch kleinere Schneestürme durften wir unterwegs immer wieder erleben.

Der kälteste Fahrtag ging morgens bei -34 Grad los, bis zum Mittag stieg die Temperatur auf -24 Grad, um gegen Abend wieder auf -29 Grad zu fallen. Wir wollten ohne Heizkleidung die Tour bestreiten, auch unter dem Vorwand, dass die Einheimischen ohne Heizkleidung auskommen. Ich gebe es zu, es war eine Herausforderung. Wir haben das aber bis zum Schluss ganz gut hinbekommen, nachdem wir etwas Erfahrung gesammelt hatten, wie wir die Klamotten am effektivsten kombinieren konnten - Zwiebelprinzig war das große Stichwort. Was mir etwas Mut machte war, dass wir nicht alle Kleidungsstücke am Körper hatten – auch an den kältesten Fahrtagen. Hat sich doch unsere Planung und Ausrüstung so weit ausgezahlt. Immer ein gutes Gefühl, dass man noch Reserven hat.

Wir hatten das Glück auf unserem Rückweg von Dawson City zur Liard Hotspring Lodge einen Elch zu sehen. Die Gespanne waren am Straßenrand abgestellt und wir waren gerade dabei den Elch zu fotografieren, als kurz danach ein Schneepflugfahrer, den wir kurz zuvor überholt haben, neben uns hielt und zum Waldrand schaute. „Ein Elch?“, fragte er. „Ja“, antwortete ich. Er schaute auf die Gespanne und meinte „Ihr wisst schon das jetzt Winter ist. Wie kommt man auf die verrückte Idee, jetzt mit dem Motorrad unterwegs zu sein? Ihr müsst deutsche sein!“. Dem ist nichts hinzuzufügen!

Die zwei Gespanne (GS 1200 und GS 800 mit Seitenwagen) wurden von Alex sehr gut auf die winterlichen Temperaturen vorbereitet und starteten jeden morgen zuverlässig und bis auf den Platten Reifen war kein technischer Defekt zu vermerken. Etwas überraschend für uns war, dass die Zündschlösser bei der trockenen kalten Luft nicht eingefroren sind in der Nacht.

Für 2023 haben Alex und ich vorgenommen weiter hoch den Norden, in die Northwest Territories bis in den arktischen Zirkel, zu fahren - in der Hoffnung das diese dann offen sind für touristische Reisen - ich dann mit meiner Tenere 700, mal schauen wie sich dann zwei Räder mit Spikes bestückt auf Schnee und Eis fahren lassen. Ein wenig Erfahrung durfte ich auf dieser Winterreise ja schon sammeln. Der Respekt vor der extremen Kälte bleibt! Auch weil uns an der Liard Hotspring Lodge gesagt wurde das wir Glück mit dem Wetter hatten, ein paar Tage zuvor wurden -56 Grad, für zwei Tage, abgelesen und Generatoren sowie Wasser- und Stromleitungen in der Kälte versagten. In Nelson (-34 Grad) herrschten, kurz vor unserer Ankunft, tagsüber noch -45 Grad. Also, beste Voraussetzungen für 2023.

Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, „wo kämen wir hin“, und niemand ginge, um einmal zu schauen,
wohin man käme, wenn man ginge.

KURT MARTI

 

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