Reise | Eroberung der Kurven: Eine epische Motorradtour auf Elba

Reise | Eroberung der Kurven: Eine epische Motorradtour auf Elba

Mit einem lauten Brummen startet Ende März 2024 der Motor der BMW GS1250 Adventure World-Travel-Edition. Viel zu lange, um es genau zu sagen über 130 Tage, hatte ich kein motorisiertes Zweirad unter meinem Hintern. Die Winter im Schwarzwald sind einfach zu lange. Umso mehr freue ich mich jetzt, dass ich wieder mit dem Motorrad auf Reise gehen kann. Und dieses Mal ist es eine Reise mit hohem geschichtlichem Hintergrund. Mein Ziel ist Elba, eine landschaftlich sehr schön gelegene Mittelmeer-Insel, die zum Toskanischen Archipel gehört.

Schnell sind die knapp 800 Kilometer bis zu Hafenstadt Piombono bewältigt. Und JA – es war kalt, als die Reise morgens gegen 6 Uhr begann: frische Null Grad zeigt das Bordthermometer an. Ab Mailand kamen dann aber auch schnell echte italienische Glücksmomente auf: strahlend blauer Himmel – angenehme 20 Grad und ein perfekter Espresso gefolgt von einem weiteren und einem weiteren.

In Piombino angekommen bezogen ich Quartier in einem einfachen Albergo mitten in der historischen und charmanten Altstadt. Mit Vorfreude auf das, was kommen würde, begann ich den nächsten Tag früh und machte mich auf den Weg zum Hafen von Piombino, um die Fähre nach Portoferraio, der Hauptstadt Elbas, zu nehmen. Die Überfahrt war ein wahres Erlebnis, umgeben von der unendlichen Weite des Mittelmeers. Die Fähre schneidet durch das azurblaue Wasser des Tyrrhenischen Meeres, und schon von Weitem kann ich die majestätischen Umrisse der Insel erkennen. Die Vorfreude auf die bevorstehenden Abenteuer steigt mit jeder Welle, die unter dem Bug der Fähre bricht.

Ich lache zufrieden, als mich endlich die Insel in ihre Arme schließt, das Schiff in den geschützten Hafen von Portoferraio einläuft und sich langsam um die eigene Achse dreht. Das Wetter für die einstündige Überfahrt war perfekt. Die schwere, schon ein bisschen in Jahre gekommene Autofähre wird ächzend und quietschend an der Mole festgemacht. Angekommen! Wer Portoferraio erreicht, läuft in den den "Eisenhafen" ein. Mit seinen 15.000 Einwohnern ist dies der größte Ort der Insel und man spürt die geschichtsträchtige Atmosphäre: die befestigte Hafenanlage, das eng gedrängte "centro storico", die imposanten Festungen über der Stadt, die Villa Napoleons dazwischen oder die pisanische Festung Volterraio auf dem gegenüberliegenden Felsvorsprung.

Jetzt bin ich hier, umgeben von hupenden Autos, gestikulierenden Passanten, und ich spüre sogleich die letzte Stufe der italienischen Kulturentwicklung: das authentische Chaos, das mich mit seiner Liebenswürdigkeit und Irrationalität immer wieder fasziniert. Gleich im Hafenviertel werde ich mit den so sinnbefreiten aber ebenso prestigeträchtigen und schicken Automobilen eines italienischen Sportwagenherstellers mit einem Pferd auf der Motorhaube konfrontiert. Dieses Autos sind für diese Insel so ungeeignet, wie ein Dreirad für eine Rennstrecke.

Mit der BMW falle ich auf. Auf den Straßen dominieren rote Ducatis mit ohrenbetäubenden Auspuffrohren.

Die Landschaft Elbas ist geprägt von einer faszinierenden Mischung aus Meeresküste und Hügeln bzw. Bergen. Der höchste Punkt, der Monte Capanne im Westen der Insel, bietet atemberaubende Ausblicke über die gesamte Insel. Entlang der Küstenstraßen erlebt man unvergessliche Kurvenfahrten, umgeben von der grünen Vegetation und dem azurblauen Meer.

Elba, nach Sardinien und Sizilien die drittgrößte Insel Italiens, überrascht mit einer unglaublichen landschaftlichen Vielfalt. Mit einer Küstenlänge von 147 Kilometern und einer Oberfläche von 224 Quadratkilometern bietet Elba eine abwechslungsreiche Landschaft, die von feinen Sandstränden über dramatische Steilküsten bis hin zu hohen Bergen mit fast alpinem Charakter reicht. Der geologische Aufbau der Insel, der von Granitkuppen über verformte Schieferschichten bis hin zu alten Erzlagerstätten reicht, verleiht Elba eine einzigartige Vielfalt.

Nach einer erholsamen Nacht auf Elba begann ich meine Erkundungstour. Die Straßen schlängeln sich durch malerische Dörfer, vorbei an duftenden Zitronen- und Olivenhainen. Zunächst erkunde ich die malerischen Dörfer entlang der Küste, von Porto Azzuro bis hin zu den versteckten Juwelen wie Rio nell’Elba und Cavo.

Ich halte immer wieder an den vielen Buchten an, um die atemberaubenden Aussichtspunkte zu genießen, von denen aus ich die funkelnde Weite des Meeres überblicken kann. Die Kurven der Straßen fordern meine fahrerische Konzentration heraus, teilweise auf alten Trails und teilweise auf winzig kleinen Sträßchen erkunde ich den Westteil der Insel.

Der Adrenalinkick

Heute steht die Königsetappe meiner Tour auf dem Programm. Ich wage mich auf die abgelegenen Pfade, die tief in das Herz der Insel führen. Die Straßen werden schmaler, die Kurven enger, aber nach jeder Kurve hat der Herrgott ein neues, atemberaubendes Panorama geschaffen. Durch dichte Wälder und steile Felsklippen bahne ich mir den Weg, immer auf der Suche nach dem nächsten aufregenden Abstecher. Der Fahrtwind peitscht mir ins Gesicht, während der Blick immer wieder über malerischen Buchten und hinaus auf das Mittelmeer schweift.

Napoleon Bonaparte

Wenn man auf Elba ist, dann ist Napoleon quasi allgegenwärtig. Napoleon, der legendäre französische Kaiser und Eroberer, der die Geschichte Europas im frühen 19. Jahrhundert prägte. Nach einer Reihe von Niederlagen und politischen Intrigen im Jahr 1814, nahm sein Leben eine überraschende Wendung. Nachdem er auf dem Höhepunkt seiner Macht war und weite Teile des Kontinents beherrschte, wurde er schließlich auf die winzige Insel Elba verbannt. Dies markierte das Ende einer Ära und den Beginn eines neuen Kapitels in Napoleons bewegtem Leben.

Napoleons Exil auf Elba begann am 4. Mai 1814, als er die Insel erreichte. Obwohl Elba eine kleine Insel im Mittelmeer ist, bot sie Napoleon dennoch eine gewisse Souveränität und Freiheit im Vergleich zu strengeren Formen der Gefangenschaft. Er regierte über eine kleine Bevölkerung von etwa 12.000 Menschen und begann sofort, Reformen und Infrastrukturprojekte auf der Insel durchzuführen. Während seines Aufenthalts auf Elba führte Napoleon eine Reihe von Maßnahmen ein, um die Wirtschaft und das Leben der Insulaner zu verbessern. Er initiierte den Anbau von Wein und Oliven, verbesserte die Hafeninfrastruktur und errichtete öffentliche Gebäude.

Elba selbst hat auch von Napoleons Präsenz profitiert, sowohl in Bezug auf die Infrastruktur als auch auf das kulturelle Erbe. Heute wird die Insel weiterhin von Touristen besucht, die an den historischen Stätten und der reichen Geschichte interessiert sind, die mit Napoleons Aufenthalt verbunden sind. Die zwei Villen von Napoleon in Portoferraio sind auch heute noch zu besichtigen. Diese beiden Museen, zeigen das Wirken und Leben des legendären französischen Kaisers und Eroberers.

Der Gott der Straßenbauer muss auf Elba geboren sein: Strada Panoramica

Meine Reise führte mich am nächsten Tag von Porto Azzuro über Sant’ Andrea nach Marciana Marina durch malerische Dörfer, entlang der Strada Panoramica, die atemberaubende Ausblicke auf das Mittelmeer bietet. Jeder Stopp entlang des Weges offenbarte neue Facetten dieser zauberhaften Insel, von den goldenen Stränden bis zu den grünen Hügeln, die von mediterraner Vegetation bedeckt sind.

Die Belohnung

Ursprünglich geplant war die Abreise von Elba an einem Sonntag. Doch das Wetter hatte andere Pläne. Starke Winde und hohe Wellen zwangen mich, den Aufenthalt auf der Insel zu verlängern. Keine einzige Fähre vom Festland steuerte Elba an. Also nutzte ich die zusätzliche Zeit, um weitere versteckte Winkel zu entdecken und die Schönheit von Elba in vollen Zügen zu genießen.

Nach Tagen voller spannender Entdeckungen und unvergesslicher Momente erreiche ich schließlich das Ende meiner Reise. Planmäßig legen am nächsten Tag die Fähren bei ruhiger See am Fährhafen in Portoferraio ab.

Doch anstatt der Trauer über das Ende meiner Reise nachzuhängen, blicke ich zurück auf die unzähligen Erinnerungen, die auf dieser epischen Motorradtour entstanden sind. Obwohl die Insel wirklich nicht groß ist, kann man gerade in der ruhigen Vorsaison unbeschwert perfektes On- und Offroad-Vergnügen genießen. Die malerischen Landschaften, die durchaus anspruchsvollen kleinen Sträßchen und Offroad-Trails und vor allem die Freiheit, die ich wieder einmal auf dem Motorrad erlebt habe, helfen den langen Winter zu vergessen. Und während ich mich auf den Heimweg mache, weiß ich, dass dies erst der Anfang neuer Abenteuer auf zwei Rädern für dieses Jahr ist.



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