Die neue Northern California BDR führt durch einige der landschaftlich attraktivsten Regionen des Bundesstaates. Halbwüsten, Wälder und Hochplateaus gilt es zu durchqueren – und jede Menge Gipfel zu erklimmen. Für besonders abenteuerlustige Fahrer gibt es einige Alternativstrecken mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad.
Mitten im Herzen der Sierra Nevada, in der Nähe von Mammoth, Kalifornien, befindet sich eines der besten Skigebiete der Vereinigten Staaten. Und genau hier liegt der Startpunkt der Northern California BDR. Schlagzeilen hat diese Region in den letzten Jahren vor allem mit ihren atemberaubenden Schneehöhen gemacht. Schön für die Skifahrer, nicht jedoch für die Planer der jüngsten BDR, die eine gefühlte Ewigkeit warten mussten, bis die weiße Pracht in den Hochlagen geschmolzen war. Nun ist die Route jedoch komplett und offiziell freigegeben. Höchste Zeit, die Route in voller Länge mit unseren Adventure Bikes unter die Stollen zu nehmen.
Die mit Felsen durchwachsenen Pisten waren der ultimative Härtetest für die Fahrwerke von Touratech Suspension.
STARKER START
Nur wenige Fahrminuten außerhalb von Mammoth haben wir auf unserem Weg in den Inyo National Forest schon flowige Wege unter den Stollen. Die Trails sind angesichts des gebirgigen Terrains überraschend sandig, was einige von uns zunächst überrascht. Die kurvenreichen Strecken durch lichte Kiefernwälder zaubern uns ein Lächeln ins Gesicht – während gelegentliche Herausforderungen den Adrenalinpegel deutlich anheben. Manche Passagen weisen lange Kehren auf, die wir eher auf einer Motocross-Strecke als auf einer Forststraße erwartet hätten. Teil unserer Gruppe ist Richie Few, ein Instruktor des BMW Performance Centers. Ich versuche, mich an seine Fersen zu heften und mit meiner Helmkamera festzuhalten, wie er leichtfüßig über die Trails fegt. Richie ist ein Magier auf seiner BMW R 1250 GS, und es sieht so spielerisch aus, wie er seine 300-Kilo-Fuhre über das anspruchsvolle Gelände bewegt.
Ankunft am Sierra Buttes Fire Lookout.
DIE BEZWINGUNG DES MT. PATTERSON
Adventure Rider, die fahrerische Herausforderungen suchen, kommen auf der Northern California BDR auf ihre Kosten. Ein besonders spannender Abschnitt ist die Fahrt auf den Mt. Patterson. Schroff wäre eine Untertreibung für dieses Teilstück. Die Piste ist durchsetzt mit Felsen und tief zerfurcht durch Erosionsrinnen. Hinzukommen enge Kehren, enorme Steigungen – und dünne Luft. Mit den großen Motorrädern sind wir bei unserem Gipfelsturm bereits einige Male an unsere Grenzen gekommen, als wir schließlich die Baumgrenze passieren. Ein letzter steiler Anstieg liegt noch zwischen uns und dem 3.558 Meter hohen Gipfel, der höchsten Erhebung in den Sweetwater Mountains. Einzeln gehen wir die Auffahrt an und können schließlich unsere Motorräder auf dem Gipfelplateau parken. Wir genießen die Aussicht in alle Richtungen und sind selbst ein wenig erstaunt, dass wir diesen Gipfel mit unseren Adventure Bikes bezwungen haben. Nicht ohne Neid meint Ritchie: „Das gibt’s in South Carolina nicht“.
Einer der zahllosen Aussichtspunkte.
„ICH BIN FROH, DASS ES NICHT NOCH HÄRTER WAR.“
Die rechtzeitige Lokalisierung eines Waldbrandes war schon immer ein entscheidender Schritt bei der Feuerbekämpfung. Bevor es Satellitenbilder und andere Technologien gab, wurde dazu eine Person in einer kleinen Hütte auf einem Berg postiert, die anhand einer Karte und der geschätzten Entfernung den Standort des Brandes bestimmen konnte. Einige dieser Außenposten sind in den Sommermonaten immer noch besetzt, die meisten jedoch nicht. Dennoch sind viele Feuertürme gut erhalten und bieten eine tolle Möglichkeit, die Umgebung in alle Richtungen zu überblicken. Wir besuchten die meisten der fast ein Dutzend Türme entlang der Route – und einige von ihnen bieten die schwierigsten Auffahrten, die ich je bewältigt habe. Als ich auf dem Gipfel der Sierra Buttes ankomme, völlig außer Atem und überrascht, dass ich es geschafft habe, schaue ich Ritchie an und sage: „Mann, war das hart“. Er grinst und sagt: „Ich bin froh, dass es nicht noch härter war.“ Ich nehme das als kleine Anerkennung für unsere fahrerische Leistung.
Es gibt immer wieder nasse Füße…
ONKEL TOMS HÜTTE
Das Wetter schlägt um, und wir finden uns in kaltem Regen und dichtem Schneegestöber nördlich von Bear Valley wieder. Es ist ein langer, zermürbender Tag, und ich bin dankbar, dass ich Heizgriffe an meiner GS habe. Glücklicherweise hält dieser miserable Tag eine warme Überraschung bereit, mit der wir nicht gerechnet haben. Eine unscheinbare, schlammige Straße führt uns ein kurzes Stück von der Hauptpiste weg, bevor wir ein in die Jahre gekommenes, ländliches Gehöft mit einigen baufälligen Nebengebäuden auf einer grasbewachsenen Wildnis ins Visier nehmen. Nachdem wir die Motorräder geparkt haben, suchen wir uns einen Schlafplatz in den primitiven Holzhütten. Ritchie zeigt auf eines der Gebäude und sagt: „Sieh dir das mal an“. Ich scheine verwirrt auszusehen, also fügt er hinzu: „Da drin gibt es eine Bar.“ Ich sage: „Ja, klar“, und meine Stimme trieft vor Sarkasmus. Richie besteht darauf, dass ich mitkomme. Als ich die Tür öffne, kann ich meinen Augen nicht trauen. Es ist ein winziger Saloon, der mit einem Holzofen beheizt wird und dessen Decke mit Dollarscheinen übersät ist, die keinen Quadratzentimeter freilassen.
„Uncle Tom‘s Cabin“: Legendäre Bar im Nirgendwo.
Ein halbes Dutzend Leute trinkt kalte Getränke in dieser warmen Oase, und zwei Jungs machen Musik. Während ich mich bemühe, diese Szene zu begreifen, erkenne ich die Gesichter der Musiker. Ich murmele: »Heilige Scheiße, das sind Owen Balduf und Chris Wilson«. Viele kennen Owen durch seine Arbeit bei Long Beach BMW Motorcycles und Rawhyde Adventures oder dadurch, dass er auf vielen Motorradveranstaltungen ein Ständchen mit seiner elektrischen Geige gespielt hat. Chris ist ein erfolgreicher Musiker und Komponist, der für die Filmmusik von Hollywoodfilmen wie Clueless und My Big Fat Greek Wedding bekannt ist. Er hat auch den Soundtrack zu den letzten BDR-Dokumentarfilmen geschrieben. Beide haben ihre Musikinstrumente auf die Adventure Bikes geschnallt und sind hierhergefahren, um uns zu überraschen. Wir umarmen uns und trinken und tanzen, während wir dieses Zusammentreffen genießen. Die Barkeeper arbeiten ehrenamtlich, um die Tradition dieses besonderen Ortes aufrechtzuerhalten. Sie erzählen uns von der Geschichte und wir erfahren, dass der Name nichts mit dem Anti-Sklaverei-Roman Uncle Tom‘s Cabin von Harriet Beecher Stowe zu tun hat. Sie bringen uns sogar das Würfelspiel der Stammgäste bei, das ich so lange spiele, bis ich keine 1-Dollar-Scheine mehr habe und mich in meinen Schlafsack begebe. Was für eine Nacht!
Flowiger Waldweg – perfekt für unsere Adventure Bikes.
REISE IN DIE VERGANGENHEIT
Ein lokaler Historiker erklärt das Leben in der Bergbaustadt Bodie, CA.
Backcountry Discovery Routes gewähren tiefe Einblicke in den bereisten Bundesstaat. So auch die Northern California BDR. Diese Strecke ist geprägt durch die Bergbaugeschichte Kaliforniens, was wir bei unserem Besuch in der Goldgräberstadt Bodie eindrucksvoll erleben. Eingebettet zwischen sanften Hügeln mit gelbem Gras liegt eine Geisterstadt mit 200 Gebäuden, die dem Verfall preisgegeben sind. In der kurzen Zeit von 1877 bis 1882 war Bodie eine geschäftige Stadt mit fast 8.000 Einwohnern. Ein örtlicher Historiker führt uns durch das Gelände und erzählt uns Geschichten über das Leben in dieser Stadt. Der Gang durch die Überreste der Standard Gold Mill ist besonders ernüchternd und führt uns vor Augen, unter was für elenden Bedingungen die Menschen hier dem Traum vom Reichtum nachjagten.
Die malerische Kulisse der Bergbau-Geisterstadt Bodie, CA.
Immer wieder passieren wir aufgegebene Siedlungen aus der Pionierzeit.
ÜBER NORTHERN CALIFORNIA BDR
Die Northern California BDR führt von Mammoth Lakes, CA bis an die Grenze von Oregon. Sie gliedert sich in neun Etappen, ist etwa 1.500 Kilometer lang und kann in sechs bis zehn Tagen gefahren werden. Die längste Entfernung ohne Tankmöglichkeit beträgt rund 200 Kilometer. Es gibt in den Ortschaften entlang der Strecke Motels und Hotels, einige blicken auf eine lange und spannende Geschichte zurück. Ausgewiesene öffentliche Campingplätze befinden sich in den nationalen Wäldern und anderen Orten entlang der Route. Fahrtechnisch liegt die Northern California BDR im Mittelfeld der BDRs, bietet jedoch mit einigen »ALT-Harder«- und drei optionalen »ALT-Expert«-Sektionen Alternativstrecken für besonders versierte Fahrer.
Viele Streckenabschnitte der Northern California BDR sind technisch anspruchsvoll.
ÜBER DIE BACKCOUNTRY DISCOVERY ROUTES
Der Autor verfolgt Trevor Doniak von Zero Motorcycles und Ritchie Few von der BMW Offroad Academy auf einer Piste in der Sierra.
Backcountry Discovery Routes® (BDR®) ist eine gemeinnützige Organisation (501c(3)), die Off-Highway-Routen für Dual-Sport- und Abenteuer-Motorradreisen entwickelt. Die Northern California BDR ist die 13. vollständige BDR mit GPS-Tracks, die der Allgemeinheit kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Zu den Aufgaben der Organisation gehören auch die Schulung von Motorradfahrern, Sicherheitskampagnen und die Förderung des verantwortungsvollen Reisens von Motorradfahrern im Hinterland. Die Organisation arbeitet eng mit Behörden und Landverwaltern zusammen, um Wege und abgelegene Straßen für das Motorradfahren offen zu halten. Alle BDR-Routen sind so angelegt, dass sie Ballungszentren meiden, so viele unbefestigte Straßen wie möglich nutzen und den Charakter eines Staates oder einer Region erlebbar machen. Sie führen über öffentliches Land, das sich oft in den Bergen oder in ländlichen Regionen befindet. Das Entwicklungsteam bemüht sich, möglichst einsame Strecken in die Route zu integrieren, wobei es bei der Auswahl darauf achtet, dass der Fahrspaß nicht zu kurz kommt. Interessante Landschaften, Sehenswürdigkeiten und historisch bedeutsame Orte haben ebenfalls eine hohe Priorität. Jede Route schafft neuen Tourismus, der benachteiligten ländlichen Gemeinden eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht. Auf diese Weise entstehen lokale Interessengruppen, die sich dafür einsetzen, den Zugang für Adventure Rider zu diesen atemberaubenden Regionen abseits der ausgetretenen Pfade zu erhalten.