Wer in Villingen im Schwarzwald startet, hat bereits das passende Terrain, um die brandneue BMW R 1300 GS Adventure zu erleben: breite Tourenstraßen, dicht bewaldete Höhenzüge und das satte Brummen des Boxers, der mit seiner bulligen Kraft förmlich nach Kurven giert. Doch das eigentliche Abenteuer beginnt erst, wenn die Route gen Süden führt – hinein in die Alpen, hinauf zum St. Gotthard und weiter zu den oberitalienischen Seen.
Die Tremola – Kopfsteinpflaster und Geschichte unter den Rädern
Der St. Gotthard-Pass ist ein Klassiker, aber die wahre Krönung für Motorradfahrer liegt auf seiner alten Passstraße: der Tremola. Ein rund 10 Kilometer langes Stück Vergangenheit, gepflastert mit groben Granitsteinen, das sich in engen, zum Teil extrem schmalen Kehren den Berg hinaufwindet.
Auf dem High-Tech-Motorrad fühlt sich dieses Stück an wie eine kleine Zeitreise. Das semiaktive Fahrwerk bügelt die Unebenheiten gekonnt glatt, während die Maschine dank ihrer Balance und des Drehmoments auch im ersten oder zweiten Gang souverän durch die Kehren zieht. Die Tremola verlangt Fahrern Konzentration ab – hier wird nicht einfach nur Gas gegeben, hier wird „gefahren“. Und genau das macht ihren Reiz aus.
Die Tremola-San-Gottardo-Straße im Kanton Tessin ist das längste Straßendenkmal der Schweiz und im Inventar der historischen Kommunikationswege der Schweiz aufgeführt.
Diese Serpentinenstraße, die sich auf der linken Seite des Val Tremola befindet, entstand mit dem Bau der Fahrstraße des San Gottardo-Passes. In ihrem wichtigsten Abschnitt überwindet sie auf einer Länge von vier Kilometern in 24 Kehren einen Höhenunterschied von 400 Metern.

Die Tremola bergab – eine Herausforderung mit Genussfaktor
Die Kopfsteinpflastersteine liegen lose und unregelmäßig, was die Vorderradführung anspruchsvoll macht. In jeder der unzähligen, engen Serpentinen gilt es, das Motorrad sauber einzulenken, behutsam die Vorderradbremse zu dosieren und das Gewicht geschickt zu verlagern. Die neue BMW R 1300 GS Adventure zeigt dabei ihre Klasse: das feinfühlige Fahrwerk filtert die gröbsten Stöße heraus, während das ABS Pro auch auf dem kilometerlangen Kopfsteinpflaster Vertrauen schenkt.
Dazu kommt die Szenerie: Kehre um Kehre öffnet sich der Blick auf das Val Tremola, steile Hänge, kleine Brücken und das Band der Straße, das sich wie ein Kunstwerk in den Fels gräbt. Man fährt hier nicht einfach nur hinunter – man zelebriert jeden Meter, atmet Geschichte und spürt das Abenteuer.
Am Ende der Tremola, wenn die Straße in die moderner ausgebaute Passstraße übergeht, bleibt ein breites Grinsen. Die Abfahrt nach Airolo ist eine Mischung aus fahrerischer Herausforderung, landschaftlicher Schönheit und technischer Demonstration – genau das, was Motorradfahrer suchen, wenn sie sich auf eine Tour wie diese begeben.
Von hier aus geht es Richtung Lago Maggiore. Die Straße schlängelt sich entlang des tiefblauen Wassers, flankiert von bunten Dörfern und kleinen Häfen. Die Adventure erweist sich einmal mehr als perfekter Begleiter: ob gemütliches Cruisen am Seeufer oder kraftvolles Herausbeschleunigen aus engen Kurven – sie bleibt stets souverän und komfortabel.
Kleine Straßen, große Emotionen – hinauf nach Quarna Sotto am Ortasee
Das eigentliche Schmankerl wartet jedoch am Ortasee, genauer gesagt in den Bergen auf dem Weg nach Quarna Sotto. Von Omegna aus führt eine schmale Straße steil hinauf ins Bergdorf. Die Serpentinen sind extrem eng, teilweise nur mit viel Gefühl und sauberem Lenkeinschlag zu meistern.
Hier zeigt sich die Wendigkeit einer Reise-Enduro: trotz ihrer stattlichen Statur lässt sie sich präzise durch die Kehren dirigieren. Das Spiel aus Kupplung, Gas und Balance wird zur reinen Fahrkunst. Die Aussicht belohnt jeden gefahrenen Meter: unterhalb glitzert der Ortasee, eingerahmt von steilen Hängen und dichten Wäldern, während oben die schmale Straße wie ein Band durch die Berge zieht.

Von den Schwarzwaldhöhen über die Kopfsteinpflasterkehren der Tremola bis hin zu den engen Serpentinen von Quarna Sotto – die Tour ist eine echte Prüfung für Mensch und Maschine. Doch die BMW R 1300 GS Adventure meistert sie mit Bravour. Komfortabel auf der Langstrecke, souverän auf Kopfsteinpflaster und überraschend agil in den engsten Kehren – sie ist ein Motorrad, das Geschichte, Landschaft und Emotionen auf einzigartige Weise verbindet.
Eine Fahrt, die nicht nur eine Tour ist, sondern eine Reise durch Kulturen, Landschaften und Fahrgefühle – vom Schwarzwald bis ins Herz Piemonts. Und das Beste – jetzt bin ich da, wo ich mich als Motorradfahrer wirklich zu Hause fühle. Hohe Berge – schöne Natur – fahrerisches Abenteuer – all das erwartet mich in den kommenden Tagen.
Sacro Monte & Serpentinen – Eine Motorradreise voller Spiritualität und Adrenalin
Der Tag beginnt früh und ich fahre zügig wieder hinunter zum Ortasee und dann weiter zu einem Welkulturerbe in Varallo. Die Sacri Monti („Heilige Berge“) sind ein einzigartiges Ensemble von spiritueller Kunst und Natur, das im Piemont und in der Lombardei entstanden ist. Besonders bekannt ist der Sacro Monte di Varallo im Valsesia-Tal, der älteste und bedeutendste dieser Wallfahrtsorte.
Er wurde Ende des 15. Jahrhunderts von dem Franziskanermönch Bernardino Caimi gegründet, der Pilgern die Möglichkeit geben wollte, das Heilige Land symbolisch zu erleben, ohne die beschwerliche Reise nach Jerusalem antreten zu müssen. Auf dem Hügel oberhalb von Varallo entstand so ein „Neues Jerusalem“: ein Weg mit Kapellen, die Szenen aus dem Leben Christi in detailreichen Fresken und lebensgroßen Skulpturen darstellen.
In Varallo gibt es über 40 Kapellen mit mehr als 800 Figuren aus Terrakotta und Holz, geschaffen von bedeutenden Künstlern der Renaissance und des Barock, unter anderem von Gaudenzio Ferrari. Die Kombination von Architektur, Malerei, Skulptur und Landschaftsgestaltung macht den Ort zu einem Gesamtkunstwerk von großem historischem und künstlerischem Wert.
2003 wurden die Sacri Monti, einschließlich Varallo, von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Bis heute sind sie nicht nur Orte der Andacht, sondern auch kulturelle Sehenswürdigkeiten, die Kunstliebhaber, Historiker und Naturfreunde gleichermaßen anziehen.
Mich hat besonders fasziniert, wie nahbar diese Figuren erscheinen. Man sieht in ihren Gesichtern Freude, Schmerz, Wut oder Hoffnung – echte menschliche Emotionen, eingefroren in Ton und Farbe. Es ist, als ob sich die biblische Geschichte direkt vor den eigenen Augen abspielt, nicht fern und abstrakt, sondern greifbar und unmittelbar.
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Nach diesem interessanten kulturellen Highlight geht es wieder on the road. Ein Motorenschnurren, die späte Morgensonne im Rückspiegel und die Straße, die sich schmal und kurvenreich nach oben windet – so beginnt das Abenteuer in Richtung Pray, einem kleinen Ort am Rand der piemontesischen Voralpen. Kaum verlässt man den Ort, zieht die Route über die Bocchetta di Margosio stetig in die Höhe. Schon hier zeigt sich, was diese Tour ausmacht: enge Kehren, dichte Kastanienwälder und immer wieder kleine Aussichtspunkte, die den Blick über die Täler freigeben.
Oben angekommen öffnet sich die Landschaft auf der Panoramica Zegna, einer Höhenstraße, die ihrem Namen alle Ehre macht. Auf der einen Seite die Po-Ebene, die sich wie ein grünes Tuch ausbreitet, auf der anderen die markanten Gipfel des Monte Rosa-Massivs. Jeder Kilometer lädt zum Staunen ein – und zum Gas geben, wenn die Straße mit ihren weiten Kurven die Maschine tanzen lässt. Das ist das richtige Gelände für die GS1300 Adventure. Der kraftvolle Boxermotor mit seinen 145 PS zerrt kräftig am Kardan und nach jeder Kurve beschleunigt der Bolide souverän auf – na, die Geschwindigkeit wird jetzt nicht verraten…
Schon bald erreiche ich Rosazza – eine steinerne Ruhe im Gebirge. Nach dem Höhenrausch folgt das urige Dorf, das fast wie aus einer anderen Zeit wirkt. Schmale Gassen, verwinkelte Steinhäuser, das Gefühl von Abgeschiedenheit – hier wäre der perfekte Ort für eine kurze Rast, bevor es zum vielleicht spannendsten Abschnitt der Tour geht. Aber die Enduro und der Fahrer sind ihrem Element und es wird zügig weitergefahren.: Zum Colle della Colma – einspurig ins Abenteuer… Die Auffahrt zum Colle della Colma ist nichts für schwache Nerven. Die Strecke ist so schmal, dass nur einspurige Fahrzeuge hier fahren können – genau das Terrain, auf dem sich ein Motorradfahrer frei fühlt. Die Straße klebt an den Hängen, mit jeder Kehre steigt die Spannung. Links geht es steil hinauf, rechts oft ebenso steil hinunter, und immer wieder huscht ein Blick durch die Bäume hinüber zu den Gipfeln.
Am Scheitelpunkt wartet eine Überraschung: ein 400 Meter langer Scheiteltunnel, der sich finster durch den Fels bohrt. Die Scheinwerfer schneiden die Dunkelheit, und sobald man hinausrollt, liegt die weite Gebirgslandschaft in voller Pracht vor einem.
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Die Abfahrt führt schließlich hinunter zum berühmten Wallfahrtsort. Oropa ist kurvenreich und landschaftlich fantastisch. Eingebettet in ein Hochtal, erhebt sich dort das barocke Heiligtum der Schwarzen Madonna. Oropa gehört ebenfalls zu den Sacri Monti des Piemont. Der riesige Klosterkomplex, umgeben von hohen Bergen, verleiht der Tour ein unerwartet spirituelles Finale.
Von Ivrea durch den Nationalpark Gran Paradiso zum Colle del Nivolet
Die Tour beginnt in Ivrea, einer Stadt, die nicht ohne Grund zu den zwanzig schönsten Orten des Piemonts zählt. Zwischen alten Stadtmauern, den bunten Fassaden der Altstadt und dem Blick auf die umliegenden Moränenhügel spürt man sofort den besonderen Charme dieser Region. Doch lange bleiben kann ich nicht – die 145 Pferde der GS 1300 wiehern ohrenbetäubend und die Straße ruft.
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Von Ivrea führt die Route in Richtung Cuorgnè, einer kleinen, lebendigen Stadt am Eingang zum Canavese. Hier beginnt die Landschaft langsam in die alpine Dramatik überzugehen: Die Straßen schlängeln sich enger, das Tal wird schmaler, die Berge wachsen.
Höhepunkt der Tour ist der Colle del Nivolet ein beeindruckender Gebirgspass in den Grajischen Alpen in Norditalien auf 2.641 Meter. Die Auffahrt ist ein Traum für Motorradfahrer: enge Kehren, lange Geraden mit Panoramablicken und das Gefühl, Schritt für Schritt die alpine Welt zu erobern. Oben angekommen entfaltet sich eine Szenerie, die man kaum in Worte fassen kann. Die Landschaft ist von einer rauen, fast überirdischen Schönheit – weite grüne Almwiesen, die von Felsflanken eingerahmt sind, kleine Bergseen, die wie Spiegel das Himmelsblau aufnehmen, und über allem die gezackten Gipfel des Gran-Paradiso-Massivs.
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Der Duft von Alpenkräutern liegt in der klaren Luft, und das Knirschen von Kies unter den Motorradstiefeln ist fast das Einzige, was man hört. Hier oben sind es nur noch wenige Menschen, die den Weg heraufgefunden haben – ein wohltuender Kontrast zum überfüllten Tal. Denn im Nationalpark Gran Paradiso selbst, an diesem strahlenden Samstag im Hochsommer, herrscht eine ganz andere Szenerie. Wanderer, Radfahrer, Familien mit Picknickkörben – der Park ist voll, beinahe überlaufen. Ganz anders die Szenerie, wenn man dem Himmel ganz nah ist. Ich verweile lange am Colle del Nivolette, fotografiere viel und genieße die Ausblicke und Weitblicke.
Nach der Fahrt durch den Gran Paradiso führt der Weg wieder zurück nach Cuorgnè, wo sich die Tour in einer einfachen Albergo mit einem perfekten Abendessen und einem kühlen Getränk in einer Bar entspannt ausklingen lässt. Mir kommen dabei drei Schlagworte in den Sinn: motorcycling – eat – repeat. Ich bin schon gespannt, wie die Wiederholung für morgen aussieht…

Unterwegs im Offroad-Paradies
Der Motor bollert tief, während ich am frühen Morgen in Cuorgnè starte. Die Vorfreude liegt in der Luft, noch bevor der erste Anstieg in Richtung der einsamen Täler beginnt. Das Valle di Viù empfängt mich mit kühler Bergluft und wolkenverhangenen Kehren. Links und rechts rauschen Bergbäche über graue Felsen, die Straße zieht sich eng an den Hängen entlang. Bald erreiche ich Lemie, ein kleines Bergdorf, das wie ein Wächter am Tor zu den Offroad-Welten wirkt.
Colle del Colombardo – ein wilder Ritt
Nun beginnt das, was man nur ehrfürchtig als Abenteuer bezeichnen kann: der Colle del Colombardo. Mehr als 30 Kilometer führt die alte Schotterpiste über den Kamm, eine Mischung aus Geröll, losem Schotter und erdigen Spuren, die sich wie ein endloser Gratweg in den Himmel schrauben. Schon nach zwei Kilometern ist das Ende des Asphalts gekommen – nur das Knirschen unter den Stollenreifen, das Heulen des Motors und den Wind, der die Staubfahne davonträgt.
Der Blick öffnet sich über die Täler, die tief unter mir liegen, und immer wieder tauchen verlassene Steinruinen auf, Relikte vergangener Zeiten. Manchmal ist die Spur schmal, so dass ein falscher Lenkimpuls das Herz kurz stocken lässt. Doch genau das macht den Reiz aus: Einsamkeit, Freiheit und das Gefühl, allein mit Maschine und Berg zu verschmelzen. Jeder Kilometer hier ist gelebtes Abenteuer.
Oben – nicht ganz auf dem Gipfel angekommen steht das Heiligtum „Unserer Lieben Frau von den Engeln“, dass auch heute noch Ziel von Marienwallfahrten ist. An der Hauptfassade des Heiligtums befindet sich eine Gedenktafel mit der Aufschrift: „Gianni Battista Giorgis aus Forno di Lemie ließ es 1704–1705 als Gelübde erbauen.
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Abstieg nach Susa – und der Ruf des Legendären
Die Abfahrt hinunter nach Susa bringt den Puls zurück in ruhigere Bahnen. Doch lange kann ich nicht verschnaufen, denn nur wenige Kilometer weiter wartet ein Pass, der in meinem persönlichen Fahrtenbuch schon längst Kultstatus erreicht hat: der Colle delle Finestre.
Mehr als zehnmal habe ich diesen legendären Pass schon befahren, und jedes Mal fühlt es sich neu an. Die ersten Kehren sind noch asphaltiert, doch bald beginnt der Schotter. Zwanzig enge Serpentinen schrauben sich in den Himmel, begleitet von einem grandiosen Panorama, welches ich heute allerdings nur erahnen kann. Tiefhängende Wolken und dichter Nebel machen diese Fahrt fast zu einer Irrfahrt. Am Colle delle Fenestre haben schon unzählige Radprofis beim Giro d’Italia gekämpft, doch für mich ist es jedes Mal ein Genuss mit einer Enduro diese Strecke zu befahren.

Weiter nach Sestriere – Hochalpen pur: Vom Finestre führt der Weg weiter nach Fenestrelle, wo die gewaltige Festung wie eine steinerne Schlange den Berg hinaufklettert – leider kann ich auch diese heute nur erahnen. Der Nebel hängt wie dicke Suppe in den Tälern. Die Straße schlängelt sich danach tiefer ins Tal, nur um schließlich zum nächsten Höhepunkt anzusetzen: Sestriere, mondäner Skiort und Motorrad-Durchgangsstation zugleich. Hier, auf fast 2.000 Metern, spürt man die Nähe des Himmels – und die Gewissheit, dass das Piemont ein Paradies für Abenteurer auf zwei Rädern ist.
Riesig…
Der heutige Fahrtag begann in Sestriere, wo bereits am Morgen bei 6 Grad die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlte. Nach dem gestrigen Tag, an dem dichter Nebel uns die Sicht nahm und selbst die gewaltige Festung Fenestrelle im Dunst verborgen blieb, freute ich mich umso mehr auf eine Tour bei bestem Wetter.
Von Sestriere führte uns die Route zunächst auf die legendäre Assietta-Kammstraße. Am Col Basset, wo die eigentliche Assietta-Kammstraße beginnt steigt das Adrenalin und meine Vorfreude auf bestes Offroad-Vergnügen kennt keine Grenzen. Auch die Assietta habe ich schon mehr als zehnmal unter die Pneus genommen. Die GS springt förmlich über lose Steine, die Reifen suchen Halt in ausgewaschenen Rinnen, während die Serpentinen enger und rauer werden. Mit jedem Meter öffnet sich der Blick weiter zurück ins Susatal, und auf über 2.400 Metern spürt man, dass man eine Grenze überfahren hat – nicht nur geographisch, sondern auch gedanklich: von der bequemen Straße hinein in die wilde Hochgebirgswelt.
Der Weg zieht sich nun wie ein graues Band über den Grat in Richtung Monte Genevris, welcher den höchsten Punkt mit 2534 Metern darstellt. Links fällt der Hang steil ins Susatal, rechts öffnet sich die Weite des Chisonetals, und die Piste selbst wirkt wie eine Linie, die jemand mit fester Hand durch den Himmel gezogen hat. Der Untergrund wechselt ständig – mal staubig und festgefahren, mal grobsteinig und unruhig. Es ist ein ständiges Spiel zwischen Gas und Kupplung, ein Tanz über lose Steine, bei dem das Vorderrad leicht nachgibt und der Körper automatisch in die richtige Position wechselt. Je höher es hinaufgeht, desto ursprünglicher wirkt die Landschaft. Man passiert alte Stellungen und Reste von Befestigungen, die stumm von einer Zeit erzählen, in der diese Höhen militärisch umkämpft waren. Heute aber sind es nur die Murmeltiere, die neugierig aus ihren Bauten spähen, während man den Colle dell’Assietta erreicht. Hier, am schönsten Punkt, breitet sich eine Stille aus, die fast ehrfürchtig stimmt. Nur das Knacken des abkühlenden Motors und der ferne Ruf eines Greifvogels durchbrechen den Moment.
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Von nun an führt die Piste sanft abwärts, doch der Abenteuercharakter bleibt. Enge Kehren wechseln mit langen Schottergeraden, auf denen man den Blick schweifen lassen kann. Die Landschaft wird milder, das Gestein weicht grünen Wiesen, und bald zeigt sich das breite Plateau des Pian dell’Alpe. Nach den wilden Gratkilometern wirkt es fast wie eine Oase: Kühe weiden auf saftigen Wiesen, Hütten schmiegen sich an den Hang, und die Sommersonne taucht die Szenerie in warmes Licht.
Die Strecke von Sestriere bis zum Pian dell’Alpe mag fahrtechnisch keine extreme Herausforderung darstellen, doch sie verlangt Aufmerksamkeit, Kondition und den Mut, sich auf losem Untergrund treiben zu lassen. Wer sie meistert, wird belohnt mit einem der schönsten Hochgebirgsabenteuer, die die Westalpen zu bieten haben – und mit dem Gefühl, auf dem Dach der Welt gefahren zu sein.
Von dort setze ich meine Fahrt zur Festung Fenestrelle fort. Gestern war die monumentale Festung fest im dichten Nebel verschwunden. Doch heute konnten ich das gewaltige Bauwerk in voller Pracht erleben. Die Festung, auch der bewaffnete Riese genannt wird, erstreckt sich über fast 3 Kilometer Länge den Hang hinauf. Mit ihren mehr als 4.000 Stufen, die sich als längste überdachte Treppe Europas durch die Anlage ziehen, verbindet sie mehrere Bastionen und Kasematten, die im 18. Jahrhundert zum Schutz gegen die französische Grenze errichtet wurden. Fortezza di Fenestrelle ist die größte Festungsanlage Europas und nach der Chinesischen Mauer das zweitgrößte Mauerwerk. Die mächtigen Steinmauern, Schießscharten und Türme wirken wie ein Bollwerk gegen die Zeit – ein stiller Zeuge militärischer Architektur, der sich majestätisch in die Landschaft einfügt.
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Nach einer ausgiebigen Besichtigung mache ich mich wieder auf den Rückweg. Erneut ging es vom Pian delle Alpi über den Colle dell’Assietta und die gleichnamige Kammstraße, die mir bei strahlendem Sonnenschein nun ganz andere Stimmungen und Ausblicke bot als am Morgen. Die Abendsonne tauchte die Schotterpiste in goldenes Licht, während die letzten Kilometer zurück nach Sestriere beinahe meditativ wirkten.

Am Ende des Tages zeigte der Tacho fast 100 Offroad-Kilometer die mich landschaftlich begeistert und geschichtlich beeindruckt haben. Ein Tag, wie er in den Alpen nicht schöner hätte sein können.
Im alpinen Kurvenrausch
Die Route von Sestriere über die französischen und italienischen Alpenpässe bis hinunter nach Cuneo ist ein Traum für jeden Endurofahrer: kurvenreich, abwechslungsreich und voller landschaftlicher wie kultureller Eindrücke.
Sestriere – Briançon
Startpunkt ist das hochalpine Skiresort Sestriere (2.035 m). Hier, wo sich im Winter die Skipisten füllen, ist im Sommer die Straße frei für Motorradfahrer. Schon nach wenigen Kilometern geht es über die Grenze nach Frankreich und hinunter nach Briançon, die höchstgelegene Stadt Frankreichs. Mit ihren Vauban-Festungsanlagen ist sie UNESCO-Weltkulturerbe und strahlt alpenfranzösisches Flair aus.
Col d’Izoard
Von Briançon führt die Strecke hinauf zum legendären Col d’Izoard (2.360 m). Der Pass ist berühmt durch die Tour de France und beeindruckt mit einer bizarr anmutenden Steinwüste im oberen Bereich, der „Casse Déserte“. Die Enduro schraubt sich durch enge Serpentinen – ein Fest für alle, die Kurven lieben.
Colle dell’Agnello
Wieder zurück Richtung Italien überquert man den Colle dell’Agnello (2.744 m), einen der höchsten Alpenpässe. Die Aussicht reicht weit über die Gipfel des Queyras bis ins Piemont. Die italienische Seite ist steiler und bietet spektakuläre Ausblicke – und nicht selten begegnet man hier Murmeltieren am Straßenrand.
Sampeyre und Colle di Sampeyre
Weiter südlich liegt das kleine Bergdorf Sampeyre, Ausgangspunkt für den Colle di Sampeyre (2.284 m). Die Auffahrt windet sich durch enge Kehren, vorbei an Almwiesen und dichten Wäldern. Oben angekommen, eröffnet sich ein Panorama über die einsamen Täler der Maira- und Varaita-Region.
Stroppo – Abstieg ins Valle Maira
Von hier führt die Route durch Stroppo, ein stilles, traditionelles Bergdorf im Valle Maira, das für seine Ursprünglichkeit und alten Steinhäuser bekannt ist. Diese Gegend ist ein Paradies für Endurofahrer, denn kleine Nebenstraßen und Schotterpisten durchziehen die Seitentäler.
Ziel: Cuneo
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Nach einer langen, kurvenreichen Abfahrt erreicht man schließlich Cuneo, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Die Tagesbilanz besagt, dass ich knapp 200 Kilometer gefahren bin und dabei knapp 9.000 Höhenmeter bewältigt habe. Aber eigentlich habe das ja nicht ich geleistet – es waren die 145 PS des Mopeds…
Cuneo überrascht: Die Stadt liegt auf einer Hochebene zwischen den Flüssen Stura und Gesso und wirkt wie eine geordnete Schachbrettanlage – ungewöhnlich für eine italienische Stadt. Das historische Zentrum wird von der weiten Piazza Galimberti dominiert, einem Platz, der mit Arkaden umrahmt ist und eine elegante Atmosphäre verströmt. Hier treffen sich Einheimische in Cafés, besonders am späten Nachmittag zur „passeggiata“ – also einem Spaziergang durch ihre Stadt. Ein Muss ist auch ein Bummel durch die Arkadengänge der Via Roma, wo sich Boutiquen, alte Konditoreien und traditionelle Geschäfte aneinanderreihen. Besonders bekannt ist Cuneo für seine Cuneesi al Rhum – Schokoladenpralinen mit Rumfüllung, die man am besten direkt vor Ort probiert.
Auch kulinarisch ist die Stadt ein Genuss: Von piemontesischem Käse wie Castelmagno über Trüffelspezialitäten bis hin zu kräftigen Weinen aus der Langhe ist Cuneo ein perfekter Ort, um die Reise entspannt ausklingen zu lassen.
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Warum eigentlich diese Schotterei in den Westalpen?
Wer einmal mit dem Motorrad über die alten Militärpisten und Schotterstraßen der Westalpen gefahren ist, versteht sofort, warum diese Region für Offroad-Fahrer ein Sehnsuchtsort ist. Hier verbindet sich fahrerische Herausforderung mit atemberaubender Landschaft und einem Hauch von Abenteuer, den man auf asphaltierten Straßen nur selten findet.
Die Wege, oft Relikte aus vergangenen Jahrhunderten, ziehen sich wie graue Narben über die hohen Grate und Pässe. Lose Steine, enge Kehren und steile Abfahrten fordern volle Konzentration, während das Motorrad unter einem arbeitet und jede Bewegung unmittelbar spürbar wird. Es ist ein direkter, ungefilterter Kontakt zwischen Fahrer, Maschine und Natur – ein Flow, der süchtig macht.
Gleichzeitig sind es die Ausblicke, die diese Touren unvergesslich machen: Gipfelketten, die bis zum Horizont reichen, tiefe Täler, in denen winzige Dörfer liegen, und stille Almen, auf denen man sich in einer anderen Zeit wähnt. Oft begegnet man nur wenigen anderen Fahrern, manchmal mehr Murmeltieren als Menschen.
Doch es ist nicht nur die Landschaft, sondern auch die Geschichte, die mitschwingt. Die Schotterpisten der Westalpen führen vorbei an alten Festungen, Stellungen und Bauten, die einst strategisch bedeutsam waren. Heute erzählen sie von einer vergangenen Epoche, während sie Offroad-Fahrern die perfekte Bühne für ihr Abenteuer bieten.
Offroad-Touren in den Westalpen sind mehr als nur Motorradfahren. Sie sind ein Eintauchen in eine Welt, in der Freiheit, Natur und Geschichte aufeinandertreffen – rau, echt und unvergleichlich intensiv.






























