Tour de France - Teil 1: Doubs - Jura und Savoyen

Tour de France - Teil 1: Doubs - Jura und Savoyen

Eigentlich sollte man das Wort EIGENTLICH gar nicht verwenden. Es ist ein relativierendes Wort, das auch verstärkend wirken kann. Eigentlich hatte ich vor, im Sommer für drei Wochen nach Bulgarien zu reisen. Dann kam Corona. Wie bei so vielen hat sich mein Arbeitsleben dadurch komplett verändert. Als Kulturveranstalter, Coach und Trainer brachen innerhalb kürzester Zeit alle Aufträge weg – und das bis Jahresende… So weit – so schlimm. Auch die Bulgarien-Reise rückte in große Ferne, bis plötzlich Ende Mai – Anfang Juni die Reisebeschränkungen für das EU-Ausland aufgehoben wurden. Na dann – so dachte ich, fahre ich nicht nur für drei Wochen nach Bulgarien, sondern mache gleich sechs Wochen daraus und bereise auch noch Rumänien mit der Enduro… Nur wenige Tage vor dem geplanten Abreise-Datum 11. Juli überschlugen sich dann wieder die Nachrichten. Auf dem Balkan explodiert das Corona-Virus. Lokale Lockdowns wurden nicht nur angekündigt, sondern auch durchgeführt. Eigentlich - ja - eigentlich platze da gerade ein schöner Traum… ABER, meine Reisebegleiterin für Rumänien wäre eine GS1250 WordlTravelEdition gewesen – und wie ich mir so die Farben dieses Motorrads anschaue, reift die Idee mit diesem Moped, dass die Farben der französischen Trikolore aufgreifen, einmal um Frankreich herum zu reisen.

Da warten jede Menge Pässe, wunderbare Landschaften, kulinarische Höhepunkte sowie viel geschichtsträchtiges Terrain auf mich. Eigentlich ist das eine gute Idee… Und das Wort EIGENTLICH kann ja nicht nur relativieren – es kann auch verstärken. Eigentlich wollte ich immer schon einmal die Tour de France fahren (nicht mit dem Fahrrad – eher mit der Enduro!).

Am Grenzübergang in Mulhouse beginnt meine Tour de France. Schnell sind die ersten Kilometer bis Montbéliard zurückgelegt. Schnell ist relativ: Seit einigen Jahren gilt in Frankreich auf kleinen Landstraßen eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Da die Franzosen verstanden haben, viel zu kontrollieren, empfiehlt es sich, auch wirklich die Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten und gemütlich die Fahrt anzugehen.

In Belfort kreuze ich dann zum ersten den Fluss Doubs, der auch gleich die folgenden Streckenabschnitt bis Besancon sein unverkennbares Gesicht und Namen gibt: Das Doubstal inn dem sich der Fluss unaufhörlich zwischen mit Wäldern bedeckten Hügeln und Felsen hindurchschlängelt ist ein echtes Fahrparadies. Auf diesem spektakulären Streckenabschnitt des bis nach Besançon gibt es viel zu entdecken: Historische Städte und Überreste der Industrie, die bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für reges Treiben in diesem Tal sorgte. Die Straße schlängelt sich eng am Fluss entlang und ich erhasche immer wieder wunderbare Weit- und Fernblicke.

Besançon ist die Hauptstadt der Region Franche-Comté, die Stadt der Kunst und der Geschichte, und liegt direkt an einer Windung des Doubs. Eine stattliche Zitadelle überragt die Stadt und verweist dabei auf eine geschichtsträchtige und wehrhafte Stadt hin. Besançon gilt als die grünste Stadt Frankreichs. Das manifestiert sich nicht nur durch sehr viele städtische Grünflächen, sondern auch durch einen ausgeprägten Natur- und Landschaftsschutz. Meine Reise geht weiter nach Arbois, der Geburtsstadt von Louis Pasteur dem großen Mikrobiologen.

Arbois bietet aber noch viel mehr. Arbois ist eine echte Genuss-Stadt und steht neben feinster Schokoladenmanufakturen auch wegen besten Käsezubereitungen bei vielen Gourmets hoch im Kurs. Arbois war weiterhin einer der ersten Weinbauorte in Frankreich, der als kontrollierte Herkunft klassifiziert wurde und zwar bereits 1936. Eigentlich könnte man den ersten Reisetag nun in Arbois ausklingen lassen - aber die Offroad-Gene der GS1250 sind geweckt und so fahren ich einen wunderbaren Trail bis zu den Cascades du Hérisson (Wasserfälle des Hérisson). Der Hérisson fließt am Ende einer Schlucht in sieben Wasserfällen aus einer Höhe von 805 Metern über insgesamt 280 m in die Tiefe. Ein markierter Fußpfad führt an zahlreichen Wasserfällen, -becken und Höhlen vorbei.

Am nächsten Tag präsentiert das französische Juragebirge in seiner schönsten Form. Auf kleinsten Sträßchen navigiert mich mein brandneues Navi Garmin XT an Pontarlier vorbei zur Quelle der Doubs in der kleinen Ortschaft Mouthe. Die Source du Doubs (dt.Quelle des Doubs) ist eine mächtige Karstquelle in einem stark verkarsteten Bereich des Juragebirges. Sie liegt im Naturpark Haut-Jura, auf einer Höhe von 937 m am Fuß der bewaldeten, bis zu 1419 m hohen Bergkette des Mont Risoux, auf der die Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz verläuft. Der Doubs entspringt einer Höhle im Felsen aus einem kleinen, etwa fünf Meter tiefen Quelltopf. Die Quelle schüttet durchschnittlich 1740 Liter pro Sekunde und ist der Ausgang eines komplexen Höhlensystems mit mehreren Siphons.

Von hier aus geht die Reise ganz nah an der Schweizer-Grenze weiter in Richtigen Genf, vorbei am völlig überbevölkerten Lac de Annecy nach Albertville.

Albertville ist eine französische Gemeinde mit knapp 20000 Einwohnern im Département Savoie in der Region Auvergne-Rhône-Alpes in den Alpen und ist Ausgangpunkt für die kommenden Tage durch eine wunderbare Bergwelt. Albertville steht auch heute noch ganz im Zeichen des Wintersports. Die Olympischen Winterspiele 1992 wurden vom 8. bis 23. Februar 1992 in Albertville ausgetragen. Nach den Winterspielen 1924 in Chamonix und 1968 in Grenoble fanden damit zum dritten Mal Olympische Winterspiele in Frankreich statt. Leider hält Albertville den Vergleich mit den anderen Olympia-Städten nicht stand. Die Stadt ist in die Jahre gekommen – es wird nichts mehr reinvestiert – die großen Hotelanlagen stehen wie so häufig im Sommer in Frankreich leer und machen keinen einladenden Eindruck. Geografisch ist Albertville jedoch ein Juwel für meine Tour de France. Große und namhafte Berggipfel sind in Schlagdistanz.

Gleich in der Nähe von Albertville befindet sich der Col de la Forclaz auf dessen Passgipfel eine kleiner, sehr steiniger und schmaler Weg abzweigt und dann über 80 Kilometer besten Offroad-Spaß immer mit Weitblick auf das Mont-Blanc-Massiv bietet. Das Wetter heute ist so gut, dass die Fernsicht leider zu keinem Zeitpunkt den höchsten Berg Europas mit 4810 Metern Höhe freigibt. Immer versteckt sich der Gipfel in Wolken und zieht meine Blicke dennoch magisch an.

Nach dieser schönen und nicht schwierigen Offrund-Runde wartet griffiger Asphalt auf mich: Der Col du Pré und der Roselend-Talsperre. Der Col du Pré führt von Beaufort über Arèches zum Lac de Roselend und kann somit als zweiter (nordwestlicher) Anfahrtsweg zum Cormet de Roselend angesehen werden.

Diese Region besticht durch viele Almen und unzähligen Kuhherden. Verwunderlich ist das nicht, denn die Stadt Beaufort ist Namensgeber für feinste Käsespezialitäten. Der Beaufort ist ein französischer Schnittkäse aus roher Kuhmilch, der im Osten des Département Savoie und zwei angrenzenden Gemeinden des Département Haute-Savoie in den französischen Alpen hergestellt wird. Seit 1945 ist Beaufort eine Herkunftsbezeichnung, seit 1996 eine geschützte Ursprungsbezeichnung. Der Käse schmeckt je nach Reifegrad mild bis zu sehr würzig. Besonders lecker schmeckt die Käsespezialität als Raclette-Käse oder Tratiflette, einem mit Käse überbackenen Kartoffel-Gratin.

Am nächsten Tag steht der Cormet de Roselend auf dem Programm- Onroad geht zu dem Gebirgspass mit einer Höhe von 1967 m in den französischen Alpen im Département Savoie. Die durchgehend asphaltierte Straße verbindet Beaufort im Tal des Doron mit Bourg-Saint-Maurice im Tal der Isère. Und wenn man schon einmal im legendären Val d’Isere ist, dann darf eine Anfahrt auf den Col d’Iseran nicht fehlen.

Val-d’Isère ist ein für Frankreich typischer Ort, der an Hässlichkeit kaum zu überbieten ist. Man hat fast den Eindruck, dass diese Städte ausschließlich für die Ansprüche der Skifahrer am Reißbrett entworfen wurden. Auch wenn man versucht mit Holzfassaden einen Hauch von Flair zu verbreiten, so sind diese Orte wie beispielsweise Tigne und Courchevel keine schönen Ortschaften in den französischen Alpen in der Nähe der italienischen Grenze. Der Col de l’Iseran ist mit einer Höhe von 2764 m der höchste überfahrbare Gebirgspass der Alpen. Dieser Bergpass wird auch „Der sanfte Friese“ genannt, da er sich immer höher in den Himmel hinaufschraubt und quasi nie enden möchte. Es gibt seit vielen Jahren Meinungsverschiedenheiten über das Attribut „höchster überfahrbare Gebirgspass der Alpen“. Das ist aber zweifelsohne der Col de l’Iseran. Häufig wird der Col de la Bonette mit seinen 2715 Metern Höhe genannt, die 2802 m erreicht man nur durch die Zusatzschleife, die jedoch kein Pass ist.

Albertville hat mir nun für drei Tage als Ausgangspunkt für meine weitläufigen Touren gedient. Heute verlasse die Olympische Stadt und fahren zum Col de Mottet über den ich dann auf einer sehr herausfordernden Offroad-Strecke zum Col de la Madeleine gelange.

Diese Berge sind allesamt Highlights der über 100-jährigen Tour-de-France-Radrenngeschichte. Viele Heldengeschichten haben sich auch am Col de Telegraphe sowie dem Col du Galibier zugetragen. Der Col du Galibier zählt wohl zu den bekanntesten klassischen Anstiegen der Tour de France – man kann ihn getrost in einem Atemzug mit dem Col du Tourmalet in den Pyrenäen und dem Mont Ventoux in der Provence nennen. Mit seinen 2645m Scheitelhöhe ist der Galibier zudem nicht nur der fünfthöchste asphaltierte Alpenpass sondern auch einer der kältesten Berggipfel in dieser Region. Heute, da sich die Sonne hinter dicken Wolken versteckt, zeigt das Bord-Thermometer auf knapp 2700 Metern Höhe nur frische sechs Grad. Wieder einmal bin ich echt froh, dass man Motorrad-Komfort einfach kaufen kann. Der innovative Compañero-Motorradanzug von Touratech vereint die Vorteile eines sportlichen Sommeranzugs mit dem Komfort einer wetterfesten Membrankombi. Schnell habe ich mir die Winterjacke aus meinen Koffern geholt und übergezogen und schon kann mir die Kälte nichts mehr anhaben.

Die heutige Fahrt endet in einer für Radfahrer wie auch Motorradfahrer legendären Stadt. Briançon ist mit ihrer Lage in 1326 m Höhe die höchste Stadt in Frankreich und liegt genau in der Mitte von fünf Tälern. Diese Stadt der Kunst und der Geschichte, die durch den Festungsbaumeister Vauban im 18. Jh. befestigt wurde, gehört heute zum Weltkulturerbe der UNESCO. In Briançon befindet sich eine bemerkenswerte Zahl militärischer Bauten, die zwischen dem 18. und 20. Jh. zur Verstärkung des Verteidigungssystems der Stadt errichtet wurden. Bei einem Rundgang durch die Stadt entdeckt man die Oberstadt oder die Zitadelle von Vauban, das Herzstück von Briançon, das von dem Schloß überragt wird, und auch die verschiedenen umgebenden Festungsanlagen wie das Fort Salettes, das Fort Trois Têtes oder auch das Fort Randouillet.

Ich befinde mich nun in den Westalpen. Hier gibt es aus verschiedenen (Welt-)Kriegen viele alte Militärstraßen. Genau diese Offroad-Tracks werde ich in den kommenden tagen unter die Stollenräder nehmen. Auch wenn hierbei gelegentlich das Hoheitsgebiet der Franzosen verlassen werde (manche dieser legendären Offroad-Strecken liegen auf italienischer Gemarkung) so werde ich meiner Tour die France in Richtung Mittelmeer, Cote d’Azur und Provence fortsetzen.



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