Land der Kontraste - Kolumbienreise | Von Joe Pichler

Land der Kontraste - Kolumbienreise | Von Joe Pichler

Von den eisigen Höhen der Anden bis zum nördlichsten Punkt des südamerikanischen Festlandes an der Karibikküste haben Joe und Renate Pichler das facettenreiche Kolumbien im Sattel ihrer KTM 890 Adventure R bereist.

Eigentlich wollten wir schon im Herbst 2020 zu einer Reise durch den Norden Südamerikas aufbrechen. Aber zum Höhepunkt der Coronapandemie war das natürlich nicht möglich. Ein Jahr später schaut es auch nicht viel besser aus. Die meisten Landesgrenzen in Südamerika sind immer noch geschlossen. Aber eine Nachricht von Jorge aus Bogota macht uns Mut. Kolumbien sei ohne Probleme zu bereisen und er ist sich sicher, dass in Kürze die Grenzen zu den Nachbarländern geöffnet werden.

Also nichts wie los. Ich montiere die neuen ZEGA Evo an meine KTM 890 Adventure, und ein paar Tage später befindet sich das Bike per Luftfracht auf dem Weg nach Bogota.

Zelt und Schlafsack werden eingepackt, jetzt fehlt nur noch die Fotoausrüstung. Ich habe das Gefühl, dass das die Zusammenstellung des technischen Equipments früher einfacher war: Eine Kamera, 30 Filme und ein Kompass – da konnte man nichts vergessen.

Heute: Zwei Kameras, Mikrophon, Drohne, Navi, Helmkamera, Laptop und externe Festplatten. Dazu ein Handy, Reserve-Akkus, Speicherkarten, diverse Kabel, Ladegeräte und ein Dreifachstecker, um alles auch wieder laden zu können. Da soll noch einer sagen, die Digitalisierung mache alles einfacher.

In Bogota angekommen, führt unser erster Weg zum Cargo-Terminal, um unsere KTM durch den Zoll bringen. Aber das gesamte Computersystem des Zolls ist zusammengebrochen und nichts geht mehr. Aber »mañana« soll wieder alles funktionieren.

Kolumbiens Graffiti-Künstler produzieren haushohe Kunstwerke im Großstadt­dschungel.

Wir haben nun ausreichend Zeit, um Bogota, die inoffiziellen Graffiti-Hauptstadt Südamerikas zu erkunden. Etwa 6000 Street-Art-Künstler bringen Farbe in Bogotas Häusermeer. Die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Missstände werden in bunten Graffitis thematisiert.

Abseits der Hauptstraßen gibt es in ­Kolumbien unzählige Schotterpisten.

Nach drei Tagen ist der Kampf gegen die Bürokratie gewonnen, meine 890er ist jetzt ready for Adventure. Unsere erste Etappe geht nach Muzo am Rio Minero. Muzo ist eine der ältesten Fundstätten von Smaragden weltweit und noch heute kommen über 50 Prozent aller Smaragde weltweit aus Kolumbien. Die großen Minen sind streng bewacht und können nicht besucht werden. Aber es gibt tausende Guaqueros, wie die illegalen Smaragdsucher in Kolumbien genannt werden. Mit einfachsten Werkzeugen durchwühlen sie den Abraum der großen Minen oder graben den Rio Quebrada um. Reich werden sie mit ihrer mühseligen Arbeit sicher nicht.

Glücksritter aus allen Teilen Kolumbiens hoffen in Muzo auf den großen Fund. Die magere Ausbeute einer Woche harter Arbeit ist aber nur 20 Euro wert.

Unser nächstes Ziel ist die Sierra Nevada del Cocuy. In Belen verlassen wir die Hauptstraße, um uns auf einer kurvigen Piste auf über 4100 Meter Höhe hinaufzuschrauben. Eine fahrtechnisch fantastische Strecke, doch leider begleitet uns den ganzen Tag über Nebel und leichter Regen. Von der angeblich so spektakulären Landschaft ist nichts zu sehen. Auf der Passhöhe warten wir über eine Stunde auf eine Regenpause, um wenigsten ein paar Aufnahmen machen zu können.

Der Cañon del Chicamocha ist mit einer maximalen Tiefe von 2000 Metern und einer Länge von 227 Kilometern der zweitgrößte Canyon der Erde.

Im Nationalpark sind Motorräder verboten, aber wir können am Rande des Parks in den Cabañas Kanwara auf 3950 Metern Seehöhe übernachten. Nach einer eiskalten Nacht reißen kurz nach Sonnenaufgang für wenige Minuten die Wolken auf und geben den Blick frei auf die schneebedecken Gipfeln der Anden.

Zurück auf der Hauptstraße geht es weiter nach Riohacha an der Karibikküste. Hier treffen wir Louis Emiro, einen Angehörigen der indigenen Gruppe der Wayuu. Jorge hat mir empfohlen für die Fahrt nach La Guajira einen lokalen Guide zu nehmen und ein Begleitauto zu organisieren. Louis Emiro selbst fährt ein desolates Chinabike – ohne Helm und in Badeschlappen. Auch das gebuchte Begleitfahrzeug, ein Landcruiser ist in keinem guten Zustand. Das Seitenfenster lässt sich nicht öffnen und der Sicherheitsgurt schließt nicht. Dass kann ja heiter werden.

Luis Emiro selbst fährt ein desolates Chinabike - ohne Helm und in Badeschlappen.

Die Indigenas vom Stamm der Guambiano sind bekannt für ihre farbenfrohe Tracht.

Die Piste von Flor de la Guajira nach Nazareth ist sehr sandig, dazu mit steilen steinigen Passagen gespickt und in einigen Bereichen sogar richtig schlammig. Die schlechten Pisten fordern ihren Tribut, Louis Emiro hat bereits seinen Auspuff und den vorderen Kotflügel verloren. Hier mit Renate und Gepäck zu fahren wäre sicher kein Spaß gewesen.

Auf sandigen Pisten geht es quer durch La Guajira nach Punta Gallinas.

Einfache Fischrestaurants am Strand von La Boquilla laden zum Rasten ein.

Vor Punta Gallinas wird die Landschaft richtig spektakulär. Türkisfarbene Lagunen und mächtige Sanddünen liegen vor uns. Es ist schwierig, im überschwemmten Gebiet den richtigen Weg zu finden. Dazu kommen unzählige Straßensperren der Wayuu. Für die Kids gibt es Kekse, die Erwachsenen wollen Geld. Meist 2000 Kolumbianische Peso (knapp 50 Cent) fürs Bike und 3000 für das Auto.

In den Dünen vor Punta Gallinas bleibt dann Louis Emiro, der selbst ernannte Motorradkönig von La Guajira, stecken und muss das Bike hinaufschieben. Aber es ist trotzdem faszinierend, wie flott er mit dem klapprigen China-Bike unterwegs ist. Eine halbe Stunde später sind wir in Punta Gallinas, dem nördlichsten Punkt des südamerikanischen Festlandes angekommen. Ein kleiner Leuchtturm markiert diesen Punkt, und wir sind die einzigen hier. Kein Vergleich zum Touristenauflauf am südlichen Pendant in Ushuaia. Die Weiterfahrt nach Cabo de la Vela ist nun einfacher als gedacht und wir verabschieden uns von unserem Begleitteam.

Viel größer könnte der Kontrast nicht sein. Von der Einsamkeit in La Guajira tauchen wir direkt ins pulsierende Leben Cartagenas ein. In unzähligen Strandrestaurants gibt es gegrillten Fisch und am Abend ist im Cafe Havana Party angesagt.

Von Cartagena nach Medellin sind es nur 630 Kilometer, aber das Motorradfahren auf den Kolumbianischen Hauptstraßen macht keinen Spaß. Bei viel Verkehr und endlosen Staus vor unzähligen Baustellen will einfach kein Fahrvergnügen aufkommen.

Mit gemischten Gefühlen erreichen wir Medellin. Schließlich galt die Stadt jahrelang als eine der gefährlichsten Städte Südamerikas. Anfang der 90er-Jahre haben Pablo Escobar und sein Drogenkartell Angst und Schrecken verbreitet. Morde waren an der Tagesordnung. Aber die Zeiten haben sich geändert. In den Restaurants und Bars im Stadtteil Poblada wird wieder unbeschwert gefeiert. Itagüi und Envigado liegen im Süden der Stadt und sind bekannt für ihre aufwendige Weihnachtsdekoration. Massen von Besuchern sind auf den Weihnachtsmärkten unterwegs. Unsicher haben wir uns nie gefühlt, obwohl es in Medellin wie in jeder südamerikanischen Großstadt Gegenden gibt, die man besser meiden sollte.

Die »zona cafetera«, die Kaffeezone, ist eine der schönsten Landschaften im zentralen Kolumbien. Auf der Plaza von Salento warten die für diese Gegend typischen Willys Jeeps und bringen unzählige Touristen in das Cocora Valley. Hier können sie die Quindio-Wachspalme aus nächster Nähe bewundern. Die Palmen werden bis zu 50 Meter hoch und das bei einem Durchmesser von weniger als 40 Zentimetern. Eine wunderbare Landschaft, deren Faszination allerdings durch eine unvorstellbaren Touristenauflauf gestört wird.

Doch Jorge hat uns einen Tipp gegeben, wie wir die einzigartige Landschaft ohne Besuchermassen erleben können. Die Piste von Salento über Toche nach Ibagué führt durch eine dünnbesiedelte Gebirgsregion: Wachspalmen soweit das Auge reicht, und eine Kurve nach der anderen. Nur der tägliche Regen und die rutschigen Pisten trüben den Fahrspaß etwas.

Kandelaberkakteen prägen die Landschaft in der Tatacoa Halbwüste.

Auf dem Weg nach Villavieja wird der Magdalena Fluss mit einer Fähre überquert.

Zurück in Bogota gibt es gute Nachrichten. Die Grenzen nach Ecuador und Peru sind geöffnet worden. Wir können die Reise Richtung Süden fortsetzen.

Die Tatacoa Wüste ist zwar nur 330 Quadratkilometer groß, aber trotzdem einen Abstecher wert. Eine staubige Piste führt vorbei an riesigen Kakteen und eindrucksvollen Gesteinsformationen. Nach Sonnenuntergang öffnet das Planetarium »Observatorio Astronómico de la Tatacoa«. Fernab von großen Städten zeichnet sich die Milchstraße deutlich ab. Gegen eine geringe Gebühr können wir die leistungsstarken Teleskope benutzen. Wir sehen den Saturn mit seinen Ringen und den Jupiter mit den Monden. Diese Sternenpracht ist atemberaubend!

Eine gut ausgebaute Piste führt durch den Puracé National Park in der Cordillera Central. Wir sind im Reich des Andenkondors angekommen. Das majestätische Tier ist allerdings vom Aussterben bedroht. Experten schätzen, dass es in Kolumbien nur noch etwa 130 Kondore gibt. Hier im Puracé National Park können sie noch ungestört ihre Kreise ziehen.

Der Andenkondor hat eine Spannweite von drei Metern.

Nur eine Tagesetappe von Puracé entfernt liegt das kleine Bergdorf Silvia am Westrand der Anden. Einen Besuch von Silvia sollte man unbedingt am Dienstag planen. Denn Dienstag ist Markttag, das Highlight der Woche für die Bauern der umliegenden Siedlungen. Der Großteil gehört zur indigenen Gruppe der Guambiano, die für ihre traditionelle Lebensweise bekannt sind.

San Agustin ist unser letztes Ziel in Kolumbien, bevor es nach Ecuador weitergeht. Rund um San Agustin gibt es über 300 mystische Steinskulpturen aus präkolumbianischer Zeit, die zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurden. Der genaue Zweck der Statuen ist bis heute ein Rätsel.

2000 Jahre alte Skulpturen der San-Agustin- Kultur.

Ein Mysterium ist auch, wie unsere Reise weitergehen soll. Peru hat wegen der neuen Delta Variante die Grenze kurzfristig wieder geschlossen. Der Weg nach Süden ist damit versperrt, unsere Stimmung auf dem Tiefpunkt. Sollte unsere Reise wirklich hier zu Ende sein? Völlig demotiviert fahren wir zurück nach Bogota. Wir treffen Jorge, und er macht uns wieder Mut. Es gibt noch eine letzte Möglichkeit unser geplantes Ziel, São Paulo in Brasilien zu erreichen. Wir müssen mit unserer KTM nach Leticia ins Amazonasgebiet fliegen. Dort sollte eine Einreise nach Brasilien möglich sein. Lassen wir uns überraschen.

Reiseinformationen

Anreise und Einreise

Ein gültiger Reisepass, nationale Zulassung und nationaler Führerschein sind obligatorisch. Ein Carnet des Passages ist nicht erforderlich. Bei der Einreise wird eine temporäre Einfuhrgenehmigung ausgestellt. Die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung »SOAT« kann ohne Probleme vor Ort abgeschlossen werden.

Reisende müssen sich innerhalb von 48 Stunden vor der Einreise über das Formular Check-Mig bei der Migración Colombia online registrieren. Bei der Ausreise ist das Formular Check-Mig erneut auszufüllen.

Der Motorradtransport nach Kolumbien funktioniert per Luft- und Seefracht. Wobei zu beachten ist, dass die Frachtkosten durch die weltweite Corona-Pandemie exorbitant gestiegen sind. Der Transport des eigenen Motorrades lohnt sich nur bei einer längeren Reise durch mehrere Länder Südamerikas. Jorge Uribe von Motoraid Adventure verleiht Adventure-Modelle von KTM und bietet geführte Touren an.

Reisezeit

Kolumbien ist das ganze Jahr über gut zu bereisen. Die trockensten Monate sind Dezember bis März und Juli bis September.

Motorradfahren

Von Autobahnen über einsame kurvige Bergstraßen bis zu schlammigen Pisten ist je nach Routenwahl alles vorhanden.

Die Benzinversorgung stellt kein Problem dar, eine Reichweite von 200 Kilometern sollte jedoch gegeben sein.

Sicherheit

Die Sicherheitslage in Kolumbien hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Auf der von uns gewählten Route gab es keine Probleme. Das Grenzgebiet zu Venezuela sollte unbedingt gemieden werden. Information zur Sicherheitslage gibt das Auswärtige Amt. Generell ist es wichtig, sich bei den Einheimischen über die jeweilige Sicherheitslage vor Ort zu informieren. Die Situation kann sich in Südamerika sehr schnell ändern.

Gesundheit

Unbedingt die aktuellen COVID-19-Bestimmungen beachten. Während unseres Aufenthaltes Anfang 2022 war eine vollständige COVID-19-Impfung vorgeschrieben. Impfungen gegen Tetanus sowie Hepatitis A und B sind generell zu empfehlen. Im Amazonasgebiet ist eine Malariaprophylaxe ratsam. Informationen dazu gibt es bei Tropeninstituten.

Finanzen

Geldautomaten gibt es flächendecken. Wir hatten für Notfälle noch einen Vorrat an Euro und US-Dollar in bar dabei. Bei der Ausreise sollte die nicht mehr benötigte Landeswährung gleich an der Grenze umgetauscht werden.

Telekommunikation

Für Telefonate innerhalb Kolumbiens empfiehlt es sich, eine lokale Sim Karte zu kaufen. Die eigene Karte funktioniert auch, doch die Roaminggebühren sind sehr hoch. Wifi ist weit verbreitet.

Literatur und Karten

Der Reise Know-how Verlag hat einen Reiseführer und eine Straßenkarte für Kolumbinen im Programm. Für das GPS gibt es Karten von Garmin und Open Street Maps.

Unterkunft

Hotels findet man in allen größeren Ortschaften. In La Guajira gibt es überdachte Plätze, an denen man seine Hängematte aufhängen kann.

Essen und Trinken

In Kolumbien gibt es überall Restaurants und Imbissbuden. Der Campingkocher kann getrost zu Hause bleiben.

Webressourcen

https://www.migracioncolombia.gov.co

https://motoraidadventure.com

http://www.horizonsunlimited.com

Zum Autor

Joe Pichler

Motorradreisender aus Leidenschaft, Vortragender und Autor von Beruf. Seine Frau Renate begleitet ihn auf dem Soziussitz, schießt alle Fahraufnahmen und ist für die Videos zuständig. Ab Herbst 2022 tourt Joe mit seiner neuen Live-Reportage über seine Abenteuer in Südamerika durch die Lande. Es gibt auch eine DVD von der Reise, die ebenfalls ab Herbst verfügbar ist.

Infos und Termine unter www.josef-pichler.at



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