Südliche Ostalpen erkunden: Stilfser Joch, Gaviapass & die spektakuläre Kammstraße

Südliche Ostalpen erkunden: Stilfser Joch, Gaviapass & die spektakuläre Kammstraße

Wir beginnen unseren Rundkurs, der einen tiefen Einblick in die südlichen Ostalpen gewährt, am Stilfser Joch (2.758m). Oft ist dies bereits die erste Tagestour, sodass man sich nach einer Übernachtung umsehen sollte. Wer das kleine Schottersträßchen auf das Ortlerhaus (3.020m) nicht scheut, sollte dies unbedingt angehen. Eine Etage weiter oben kann man, auf 3.174m, auf der Rifugio Livrio übernachten – romantischer Sonnenunter – und -aufgang inklusive. Alternative ist die Tibethütte (2.800m).

Der nächste Tag führt uns ins Valfurva auf den Gaviapass (2.621m). Auf der Rifugio Arnaldo Berni nehmen wir den zweiten Cappuccino ein. Auf der anderen Straßenseite erinnert ein Gedenkstein an den Gebirgskrieg 1915-18 (Grande Guerra) und dass Capitano Berni mit seiner Gruppe immer noch im ewigen Eis der Punta San Matteo liegt. Er hat den letzten Angriff der Österreicher am 3.09.1918 nicht mehr überlebt – und wurde durch Eismassen zugeschüttet. Der Gaviapass war in den 80ern ein beeindruckender Offroad Pass, der sich schwindelerregend nach Ponte di Legno schlängelte. Im Oktober war immer das klassische Tourenfahrertreffen, wo man gerne bei Neuschnee und Restalkohol am nächsten Morgen den Abgang wagte. Nach dem Erdrutsch im Veltlin 1987, bei dem 2 Dörfer verschüttet wurden, wurde er als einziger Übergang in den Süden geteert. Für den Abstieg nach Ponte di Legno sollte man genügend Geduld für den Gegenverkehr mitbringen.

Ostalpen_Rundtour_-_002

Abb. auf dem Gaviapass. Im Hintergrund die Punta San Matteo

Ostalpen_Rundtour_-_003

Abb. auf dem Gaviapass. Von Süden fließt warme Luft gegen den Pass

In Edolo findet man am süd-westlichen Ausgang das einspurige Sträßchen auf den Passo Monte Faet. Mit sehr engen Serpentinen schlängelt es sich die 700Hm hinauf, um auf der anderen Seite wieder steil ins Tal zu stürzen. Man bleibt jedoch auf der rechten Talseite und fährt nicht auf die SS42, denn in Malonno geht es bereits wieder hinauf – einspurig – zum Passo Vivione (SS294) 1.828m. Auf der bewirtschafteten Rifugio Vivione wartet sehr gutes Essen und die Einmaligkeit dieser Landschaft. Der Passo Vivione mit seinen Schluchten ist sicherlich einer der ganz großen Pässe in der Lombardei. In Schilpario halten wir uns links und kommen so in Breno (340m) aus, um direkt von dort auf den Passo Croce Domini (1.895m) zu fahren. Das Albergo di Fanti Lara oder die Rifugio Tassara unterhalb des Passes bieten eine strategisch gute Übernachtung an. Wir sind nun in den südlichen Ausläufern der Alpen angekommen. Die Berge sind maximal noch 2.000m hoch, die Täler wenig über 100m. Auch hier wurden im 1. Weltkrieg Zugangswege für die italienische Armee gebaut, von denen wir heute noch profitieren. Auf dem Croce Domini müssen wir uns entscheiden, ob wir das geteerte kurvige Sträßchen direkt an den Idrosee nehmen, oder aber rechts auf die leichte Schotterstraße zum Manivapass fahren – immer auf dem Kammscheitel in Höhe von ungefähr 1.800m. Im Juli 2024 haben mein Freund Thorsten Molitor und ich uns für die Kammstraße zum Passo Maniva und weiter zum Passo della Berga – Passo Baremone – Anfo entschieden.

Ostalpen_Rundtour_-_004

Abb. auf der Manivapass Straße. Teilweise ist sie aber geteert.

Ostalpen_Rundtour_-_005-1

Abb. auf der Manivapass Straße. Im Hintergrund der Passo Croce Domini

In dieser Zeit war ein Sperrzaun am Passo Maniva zum Passo della Berga angebracht. Es wurde uns, jetzt am Sonntag, aber versichert, dass es eine Baustelle gibt, die jetzt nicht in Betrieb ist – das Sträßchen war offen. Zum allergrößten Teil besteht es aus tiefem Schotter und Resten von Teer. Es windet sich luftig über den Kamm und endet am Passo Baremone. Man kann dort links abbiegen, dann aber zu Fuß auf das Fort Cima Ora in ein paar Minuten aufsteigen. Von dort bietet sich eine unbeschreibliche Aussicht hinab zum Idrosee – gerade jetzt abends.

Ostalpen_Rundtour_-_005

Ostalpen_Rundtour_-_005-2

Abb. Passo della Berga: Schotter und steile Felsabbrüche prägen diese Passstraße

Wer genügend Zeit mitbringt, sollte unbedingt den Abstecher ins Val Daone hoch zum Stausee machen, bevor die Fahrt weiter durchs Ledrotal ansteht: dort sind wir wieder im Nationalpark „Ortler-Adamello“ (hier grüßen die Schwarzbären) und wird die Landschaft dort oben nicht mehr vergessen: den Stausee und dahinter die Pyramide des Care Alto, der mit seinen 3.400m die gesamte Landschaft dominiert. 

Bevor man den Abstieg nach Riva macht, kann man auch noch rechts zum Passo Tremalzo (1.665m) hochfahren. Hinter der Rifugio Garda geht die Schotterstraße weiter durch einen Tunnel am Scheitelpunkt und hinunter zum Notapass. Alpenrouten.de schreibt, dass man mit einer Sondergenehmigung auch heute noch zum Notapass und hinunter an den Gardasee fahren kann. Doch auch der Tremalzopass selbst bietet eine unbeschreibliche Aussicht, bevor wir dann endgültig die 1.500Hm nach Riva abfahren. Er war einer der Hauptstützpunkte für die italienischen Geschütze in der Gardasee - Judikarienfront 1915-18. Von dort machen wir den Stellungswechsel in die Hochebene der 7 Gemeinden (Altopiano Sette Comuni), wo es verschiedene Möglichkeiten zum Übernachten gibt. Diesen Wechsel kann von Arco über Santa Barbara nach Rovereto interessant gestalten werden.

Ostalpen_Rundtour_-_006

Ostalpen_Rundtour_-_007

Abb. die Hochebene der Sieben Gemeinden (Altopiano Sette Comuni) ist geprägt durch eine Berglandschaft, die vom Val d’Astico in einer Tiefe von über 1.500m durchschnitten wird.

Wir starten am nächsten Morgen von Serrada aus zum Passo Coe 1.614m. Durch diese Hochebene verlief 1915 die Grenze des Kaiserreichs Österreich-Ungarn und dem noch jungen Königreich Italien (Veneto). 1915 entschied sich dieses Königreich aus dem Dreibund auszusteigen und auf der Seite der Entente Österreich-Ungarn den Krieg zu erklären. Am 23.05. startete auch hier auf der Hochebene am Passo Vezzena einer der grausamsten Kriege des letzten Jahrhunderts, der ca. 800.000 Tote und Verletzte allein auf der Hochebene hervorbrachte. Dominant waren auf beiden Seiten die Sperrforts. Diesen Kolossen aus Beton werden wir hier immer wieder begegnen. Der Krieg brachte auch ein dichtes Netz an Schotterstraßen hervor, die aber seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr motorisiert befahren werden dürfen – mit Ausnahme des Monte Verena.

Ostalpen_Rundtour_-_008

Ostalpen_Rundtour_-_009

Abb. Aufstieg auf den Monte Verena

Wir sind gerade die 1.500Hm nach Arsiero abgestiegen und auf der anderen Seite des Val d’Asticos wieder nach Rotzo über viele Serpentinen hochgefahren. Kurz hinter Rotzo – ein weiterer Cappuccino war notwendig – biegen wir nach links in ein einspuriges Waldsträßchen ein, das uns zum Einstieg in die Schotterstraße zum Monte Verena bringt. An dem Casa di Campovecchio biegen wir rechts ab. Diese Schotterstraßen sind ausdrücklich erlaubt. Die 450Hm fährt man im tiefen ruppigen Schotter auf den Gipfel des Monte Verena, wo auf der gleichnamigen Rifugio gutes Essen bei toller Fernsicht wartet. Weit geht der Blick nach Süden, bei klarem Wetter kann das Meer um Venedig erahnt werden. Aber es gibt auch einen weiten Überblick über die gesamte Hochebene und unsere weiteren Straßen. Man kann auch erahnen, mit welcher Brutalität und Gewalt hier 1915 – 18 Krieg geführt wurde: am 12.06.15 durchschlug eine 30,5cm Granate die Decke des Forts des Monte Verena und explodierte im Inneren.

Ostalpen_Rundtour_-_010

Ostalpen_Rundtour_-_011

Abb. Auf dem Monte Verena: weit geht der Blick über die Sieben Gemeinden hinaus gen Süden und Norden.

Der Rückweg findet bis zum Einstieg wie der Aufstieg statt. Dann biegen wir jeoch nach rechts ab und fahren an der Malga Madrielle über eine Schotterstraße zum Ghertle zur SS349 hinunter.

Über den Passo Vezzena und dem Kaiserjägersträßchen (Monte Rovere gerade aus) gelangen wir nach Levico um uns dort dem Passo Manghen in Richtung Norden, den Dolomiten zuzuwenden. Unser Rundkurs geht jetzt also in die nächste Etappe. Der Passo Manghen ist einspurig und überwindet 1.500Hm. Die Serpentinen sind durchweg steil und sehr eng. Nach Norden in Richtung Cavalese zieht sich das Hochtal über mehrere Kilometer eher sanft hinab bis wir in Cavalese eine Übernachtung finden.

Am nächsten Tag fahren wir in einem großen Bogen zunächst in das Fleimstal (Valle Fiemme) am Lago di Paneveggio zum Passo Valles hoch – sehr guter Apfelstrudel bei 2. Cappuccino – um auf der anderen Seite vor Falcade gleich wieder links den Passo San Pellegrino hochzufahren. Es ist dies die Landschaft, die einen nahezu erschlägt – umringt von Felsentürme, Schluchten und Wände.  Dann geht es wieder das Fassatal hinunter. Über Canazei windet sich die Straße zum Fedaiapass hinauf – durch eine Schlucht immer an der Nordwand der Punta Penia entlang bis hoch zum Fedaia Stausee. Wir lassen die Nordseite der Marmolata auf uns wirken und fahren über die Staumauer auf die andere Seeseite. Es gibt nur noch Gletscherreste von einem einst riesengroßen Gletscher, der 1915 „Die Stadt im Eis“ beherbergt hatte. Das Museum vor Ort zeigt dies anschaulich.

Ostalpen_Rundtour_-_013

Abb. Auf dem Fedaia Pass: Wir stehen direkt an der Marmomata, dem höchsten Gipfel der Dolomiten. Wer Zeit mitbringt, kann mit der Seilbahn auf den Gipfel fahren und den Rundblick genießen

Nachdenklich fahren wir auf der anderen Seite ab. Wir müssen eine Pause einlegen, weil sich im Süden der Marmolata ein Gewitter aufgebaut hat. Doch nach einer Stunde steuern wir unseren nächsten Pass, dem Giaupass an. Ein besonderes Schauspiel können wir dort genießen: Dunkel und drohend hat sich das Gewitter nach Osten über den Monte Cristallo und Cortina d’Ampezzo geschoben. Im Westen – unsere neue Zielrichtung, scheint hingegen schon wieder die Sonne.

Ostalpen_Rundtour_-_014

Abb. auf dem Giaupass: abziehendes Gewitter über Cortina d’Ampezzo

Ostalpen_Rundtour_-_014-1

Abb. auf dem Giaupass: Blick zur Marmomalta

Bei der Abfahrt nach Cortina ist nicht ganz klar, ob wir nach links zur Rifugio Cinque Torri abbiegen können, man sollte es versuchen. Von der anderen Seite war für 10€ die Fahrt genehmigt. Man sollte sich diese „Abkürzung“ geben: da stehen sie, die Cinque Torri und im Hintergrund die drei Tofanen – was will man mehr in den Dolomiten….

Es ist dies nun die letzte Etappe gen Westen, in die wir auf den Falzarego - Valparolepass einschwenken. Wir drehen die Serpentinen direkt unter den Felswänden zum Pass hinauf. Dann stehen wir vor der Wand des Kleinen Lagazuoi – einen riesen Schuttkegel vor uns. Am 20.06. 1917 sprengten die Italiener den Kleinen Lagazuoi, nachdem sie über Monate einen kilometerlangen Stollen gebohrt hatten. Wer etwas Zeit mitbringt, sollte unbedingt mit der Seilbahn auf den Kleinen Lagazuoi hochfahren. Hier oben werden wir bei klarem Wetter von einer der großartigsten Aussichten in den Dolomiten begrüßt. Den Stollen kann man als leichten Klettersteig immer noch absteigen – mit Klettersteigausrüstung bitte. Gegenüber steht der Hexenstein direkt an der Straße zum Valparolepass. Von dessen Sperrfort lässt er sich in einer leichten Wanderung besteigen und die Anlage der bayrischen Gebirgsjäger besichtigen. Das gesamte Epos am Falzarego / Valparolepass hat Luis Trenker in seinem Buch / Film - Drama „Berge in Flammen - 1931“ verewigt.

Ostalpen_Rundtour_-_015

Abb. Am Valparolepass

Über mehrere Sepentinen steuern wir auf Sankt Kassian und Stern zu, um in St. Martin aufs Würzjoch abzubiegen. Vorbei an dem dominanten Peidlerkofel fahren wir die einspurige Straße übers Würzjoch (1.987m). Wer jetzt als Übernachtung etwas Außergewöhnliches sucht, kommt an dem Gasthaus Halslhütte direkt an der Straße nicht vorbei. Alternative kann es auch die Edelweishütte sein. Das Villnößtal zeigt sich an diesem Abend von seiner schönsten Seite: Hell reflektiert die Geisler Gruppe die Abendsonne.

Ostalpen_Rundtour_-_016

Abb. das Würzjoch ist einspurig zu befahren. Im Hintergrund der Peidlerkofel

Ostalpen_Rundtour_-_017

Abb. Vilnösstal

Am nächsten Morgen – unserem letzten Tag in den Bergen - fahren wir die kurze Strecke nach Bozen hinab. Es stehen noch 4 Pässe auf dem Programm: Von Bozen (260m) geht es das Sarntal hinauf aufs Penser Joch (2.200m), um auf der anderen Seite nach Sterzing (950m) wieder abzusteigen. Viel Zeit bleibt uns unten nicht, denn nach kurzem Tankstopp geht es gleich wieder den Jaufenpass und das Timmelsjoch (2.470m) hinauf. Dies alles sind zwar sehr kurvige, aber gut ausgebaute Straßen. Vom Timmelsjoch zieht sich das Ötztal ewig hin bis wir in Landeck unsere Heimfahrt über den Arlbergpass antreten. Jetzt ziehen dunkle Regenwolken auf und zeigen, der Arlberg ist eben doch eine Wetterscheide – aber eben am Ende der Rundtour.

Ostalpen_Rundtour_-_018

Ostalpen_Rundtour_-_019

Abb. Jaufenpass Straße

Ostalpen_Rundtour_-_020

Ostalpen_Rundtour_-_021

Abb. an der Timmelsjochstraße

Route Performance

1.637km (kurviger.de)

Ca. 56.000Hm (kurviger.de)

Ca. 22 – 26 Pässe

Dauer: 5 besser 6 Tage. Empfohlen wird ein Zusatztag für die Strasse ins Val Daone und Tremalzopass

Diese Rundtour ist eine Tour, die jeder erfahrene Motorradfahrer angehen kann. Man sollte aber Pässe wie den Manghen oder Gaviapass nicht unterschätzen – nur weil sie geteert sind. Zum Zeitpunkt der Fahrt lagen die Temperaturen bei über 35°C im Tal und unter 12°C auf dem Timmelsjoch, dazwischen auch mal ein Gewitter. Der ist optimale Bereich für Merinowolle und den Companero.

gpx beim Verfasser: ulrichmerz@t-online.de

Beste Jahreszeit

Für optimale Bedingungen gibt es ein relativ enges Zeitfenster: Im Juni liegt auf Pässen über 2.000m oft noch Schnee (Stilfser Joch macht traditonell an Pfingstsonntag auf – der Gaviapass ist dann aber noch gesperrt – das Timmelsjoch meist auch). Juli – August sind die Dolomiten sehr stark frequentiert. Bedingt durch die sehr warme Südströmung neigt das Wetter dann auch gerne zu Nachmittagsgewitter. Deshalb empfiehlt der Verfasser Ende Juli-September – Oktober (je später desto besser). Im Oktober kann es aber bereits auf Pässen über 2.400m wieder Glatteis / Neuschnee haben

Interessante Hotels / Unterkunft:

Stilfser Joch

https://www.baitaortler.net/

https://www.hotelpassostelvio.com/servizi-hotel-livrio/

https://www.tibet-stelvio.com/

Passo Vivione

https://passodelvivione.com/

Passo Croce Domini

http://www.albergobelvederedifantilara.it/

https://www.rifugi.lombardia.it/brescia/breno/rifugio-tassara.html

Altopiano Sette Comuni, Serrada

Life Hotels Des Alpes | Noi facciamo le cose per farvi sentire in famiglia

Dolomiten

Bruneck: Gasthof Hotel Saalen in St. Lorenzen am Kronplatz - Südtirol (saalerwirt.com)

Cavalese: https://www.salvanel.com/

Essen in Laterna Verde

Würzjoch - Bozen

https://www.halslhuette.it/de

https://www.torgglerhof.com/

https://www.gasthof-jaegerheim.it/de/



Touratech Copyright © 2022